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Violette Bescherung

Violette Bescherung

Titel: Violette Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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überreichte ihr eine kleine Schatulle. »Bringen Sie mir mein Nähzeug aber wieder zurück, ja?«
    »Äh … was? Ja. Äh … sicher. Ich …« Jule verstummte und so ging auch diese Tür zu.
    Nadeln gewollt, Nadeln gekriegt. Glückwunsch. Schweitzer, brüll beim nächsten Mal Weihnachtsbaum. – Meine Betonung lag auf Baum, verdammt. – Tja. Klang wohl nach Saum. Jule hockte sich auf eine Treppenstufe. Kopf zwischen die Knie, durchatmen. Ihr Weihnachtsfrust keimte noch zur vollen Blüte auf bei diesen witzlosen Klingelstreichen. Vor ihr lagen neun Wohnungen. Blieb die entscheidende Frage: Wie viele Tiefschläge würden ihre Nerven verkraften, bis sie heulend …
    »Was machst du denn im Treppenhaus, Jule?«
    Die Stimme eines rettenden Engels. In ihrer Linken hielt Ewa eine rote Sporttasche, einen gefüllten Stoffbeutel in der Rechten. Ihre Miene wirkte so gelöst, als hätte sie das Christkind höchstpersönlich getroffen, niedergeknüppelt und erfolgreich ausgeraubt. Eine Tat, die beflügelte und high … äh … stopp.
    »Bogacz!«, pampte Jule sie an und schnupperte wie ein Hasso vom Drogendezernat. »Hast du bei Tomasz was geraucht?«
    »Ach Jule …« Ewa verdrehte die Augen. »Kontrollier meine Pupillen, wenn du mir nicht glaubst.«
    Ewas Gesicht näherte sich. Jule spitzte die Lippen. Ach verdammt. Falsche Reaktion. Konzentration auf die Pupillen, umrandet von warmem Braun und mit schimmerndem Grünstich. Schön waren die Pupillen. Punkt. Ob Gras die nun groß oder klein zoomte, wusste Jule ohnehin nicht und akut war es ihr auch schnurz beim Anblick von Ewas sinnlichen Lippen, so dicht vor … Schritte von oben. Auch Ewa drehte den Kopf. Ein drahtiger Blondschopf hopste in wippenden Bermuda-Shorts die Stufen herab.
    »Ewa. Hi …« Seine Teddybäraugen leuchteten aus weichen Gesichtszügen, gespickt mit flaumigen Drei-Tage-Bartstoppeln.
    »Oh. Hej, Micha«, grüßte Ewa heiter. »Na, alles klar? Was liegt an?«
    »Chillen im Park. Bisschen grillen.« Er tätschelte den Rucksack auf seiner Schulter, aus dem drei Fackeln ragten. »Habt ihr Bock? Kommt doch einfach dazu. Essen haben wir genug, Bier auch.«
    »Immer gern.« Ewa strahlte ihn an. »Nur heute ist es schlecht. Meine Freunde aus Hamburg stehen morgen früh auf der Matte und wir müssen eine Party vorbereiten.«
    »Hast du Geburtstag?«
    »Wir feiern Weihnachten.«
    »Im Mai?« Er stutzte. »Ach so. Mottoparty?«
    »Gewissermaßen, äh … ja, genau.«
    »Abgefahren. Geile Idee. Falls du noch Lichterketten brauchst, in unserer Küche hängt eine. Klingel einfach. Steffi ist da.«
    »Cool. Danke dir.« Ewa hörte gar nicht mehr auf zu strahlen bei diesem Mi-Mi-Milchbubi-ach-verpiss-dich-doch. »Habt ihr auch Kugeln und so?«
    »Sorry. Nein. Unseren WG-Baum schmücken wir immer mit Red-Bull-Dosen.« Er zwinkerte.
    »Verstehe.« Ewa zwinkerte zurück. »Genial. Oben durch die Lasche einen Faden und …«
    »Nadeln habe ich besorgt, Süße. Schau.« Es hatte glorreich klingen sollen. Nur fühlte es sich abgrundtief jämmerlich an, wie Jule Omis Schatulle vor Ewas Nase hielt, als läge darin der heilige Gral und nicht bloß schnöder Stahl mit Öse. Tja. Fazit? Falscher Film. Und wenn mir heute noch einmal eine schwarze Katze querkommt, tret ich drauf.

Freitag, 22:15 Uhr

    Von nun an ging es in der Küche zu wie im Märchen. Goldmarie und Pechmarie. Ewa entwirrte triumphierend eine Lichterkette, geborgt aus der WG ›Kröger/Pohl/Pietsch‹ im dritten Stock. Jule hockte miesepetrig auf einem Stuhl und tankte Rotwein. Klare Rollenverteilung in einer beknackten Story. Grummelnd hüllte sich Jule in Schweigen, während Ewa ohne Punkt und Komma redete.
    Der Besuch bei Tomasz war ein voller Erfolg gewesen. Neben einer Krippe hatte Ewa polnische Leckerbissen abgegriffen. Deren Namen klangen bedrohlich und in etwa wie das Wort ›Blutwurst‹ nach zehn Bier, doch letztendlich entpuppte sich das Zeug als harmloser Kompottkram und Dosenfisch. Hurgx. Jule sah sich schon nach dem ersten Gang aufs Klo verschwinden und dort entweder hockend auf oder würgend vor der Schüssel. Bezaubernde Aussichten.
    »Ich matsch mal schnell den ersten Teig zusammen«, sagte Ewa vergnügt und fischte Zutaten aus den Supermarkttüten. »Spricht was gegen Marzipantaler?«
    »Mach. Mir wurscht.«
    Ewa hielt beim Hantieren inne. »Hey, morgen ist Weihnachten.« Im nächsten Augenblick schlang sie Jule kichernd die Lichterkette um den Hals. »Freu dich mal ein bisschen.«
    Topp. Ich bin

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