VIRALS - Jeder Tote hütet ein Geheimnis: Band 3 (German Edition)
blendete mich nicht mehr und ich fühlte mich nicht länger den wilden Naturgewalten hilflos ausgesetzt.
Ich sah Coop an und er starrte mich an.
Er wusste, dass ich den Wolf in mir freigelassen hatte. Dass sein Rudel zum Leben erwacht war.
Coops Nähe verstärkte die Gefühle zusätzlich. Mit meinen Superkräften nahm ich die Welt so klar wahr wie nie zuvor.
Volle Kraft. So fühlte es sich an.
Die Jungs sahen mich mit gelb leuchtenden Augen an. Ich spürte ihr Staunen.
» Wow.« Hi blinzelte. » Das ist ja der Hammer.«
Shelton nahm die Brille ab und steckte sie in die Tasche. » Intensiv.«
Ben ließ die Knöchel knacken.
Wir waren bereit.
Spielleiter, ich komme.
» Jetzt«, flüsterte ich. Schreien war nicht mehr notwendig.
Ich lief zur Veranda, erreichte die Tür und drehte leise den Knauf. Dann betrat ich die Küche und ging ein Stück weiter, damit die anderen folgen konnten.
Alle Sinne waren bis zum Äußersten geschärft.
Keine Bewegung. Kein verräterisches Geräusch.
Lautlos pirschte Ben durch eine Tür auf der linken Seite. Coop folgte ihm. Eine Sekunde später waren sie zurück. Ben schüttelte den Kopf.
Um den Vorteil der Überraschung nicht zu verlieren, schlich ich auf Zehenspitzen den kurzen Flur entlang nach vorn. Mein Rudel folgte mir.
Schlafzimmer. Badezimmer. Wohnzimmer.
Leer. Wir fünf waren allein im Haus.
Aber im Kamin brannte ein kleines Feuer.
» Was sollen wir tun?«, flüsterte Hi. » Das Feuer brennt. Der Wagen ist noch da. Er kommt bestimmt zurück.«
» Wo könnte er denn stecken?« Shelton öffnete vorsichtig eine Tür. Wandschrank. Leer. » Charleston ist eine Geisterstadt. Er kann ja nicht einfach nur mal schnell weg sein, um sich einen Hamburger zu holen.«
» Leute, da!« Hi zeigte auf einen Laptop, der auf der Couch lag.
Ich stellte den Computer auf den Couchtisch und ließ ihn hochfahren. Die Jungs setzten sich zu mir. Coop, dem es an technischem Interesse mangelte, unterzog die Vorhänge einer Schnüffeluntersuchung.
» Bitte, lass uns etwas finden, das wir gebrauchen können.« Shelton wusch sich die Hände ohne Wasser.
Ein Hintergrundbild erschien– der Mann, den ich als Eric Marchant kennengelernt hatte, mit nacktem Oberkörper, wie er gerade einen riesigen Marlin auf seinen Wagen lud.
Der Spielleiter.
Ich hätte ihm am liebsten ins grinsende Gesicht geschlagen.
Der Desktop zeigte nur einen einzigen Ordner. Als ich das Icon anklickte, startete eine Diashow.
Ein Bild folgte dem anderen. Tatortfotos. Eingescannte Zeitungsausschnitte. Bilder von Unfallwagen und ausgebrannten Gebäuden. Todesanzeigen. Autopsieberichte.
Ich hielt die Diashow an und überflog mehrere Artikel. Schließlich erkannte ich das Muster.
Die Verbrechen waren allesamt ungelöste Fälle. Die Unfälle waren sonderbar und unerklärlich.
Bei vielen Vorfällen hatte es zahlreiche Opfer gegeben. Manche waren grausig. Schrecklich waren sie alle.
Einer nach dem anderen erschienen die Einträge auf dem Bildschirm. Einige Orte konnte man erkennen. Seattle. New York City. Las Vegas. Die Mehrheit jedoch nicht.
Shelton wandte sich mir zu. » Ja, und? Er steht auf Polizeiberichte? Katastrophengeschichten?«
» Das ist sein Werk.« Mir wurde übel. » Es ist alles hier. Es muss das Privatarchiv des Spielleiters sein. Das Tagebuch seiner perversen Spiele.«
» Trophäen.« Hi sprach ganz leise. » Seine Sammlung. Jeder Serienkiller hat eine.«
Ben schlug mit der Faust auf den Couchtisch. » Ich bringe diesen Kranken um!«
Plötzlich wurde der Bildschirm leer. Es folgten Geräusche wie von einem Videospiel und dann startete ein neues Programm.
Das Gesicht des Spielleiters erschien.
» Hallo, Tory.« Er lächelte. » Willkommen in meinem bescheidenen Heim.«
KAPITEL 55
Braune Augen. Kräftiges Kinn. Ein Gesicht, dem ich schon zweimal begegnet war.
» Schade, dass ich euch nicht sehen kann, aber die Tonverbindung steht, also können wir uns unterhalten. Ehrlich gesagt bin ich verwundert, dass ihr noch lebt.«
Der Spielleiter war in einem Raum, nicht draußen im Sturm. Er trug eine seltsame braune Robe und das dünne braune Haar war trocken. Sein Körper füllte den Bildschirm aus und machte es unmöglich, den Aufenthaltsort zu erkennen. Ich hatte den Eindruck, dass er ein Smartphone benutzte.
» Monster«, zischte ich, und der Schub verstärkte meinen Zorn.
Shelton und Hi saßen neben mir auf der Couch und starrten erschrocken auf den Bildschirm. Ben war blass geworden, aber dann
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