VIRALS - Nur Die Tote Kennt Die Wahrheit

Seite der Halbinsel war mit kleinen Markierungen versehen.
    Wieder machte es klick bei mir. » Stimmt!«
    Sechs Augen waren auf mich gerichtet.
    » Wanderfalken nisten in Felsspalten und Kliffhöhlen«, sagte ich. »Sie sind also auch ihre Schlafstätte.«
    » Und?«, fragte Ben.
    » Anne Bonny hat die Duck Hawk nahe den Kliffhöhlen an der East Bay versteckt.«
    » Ah«, sagte Shelton. Ben stand auf der Leitung.
    » Ihr Boot mit dem Falkennamen ›ruhte‹– Anführungszeichen– an der East Bay Street.« Ich ließ die Worte auf ihn wirken. » Wir sollten uns also mal in der Stadt umsehen.«
    » Deshalb habe ich auch meinen Computer geholt«, ergänzte Hi. » Seht her.«
    Er zog sein iPhone aus der Tasche und machte ein Foto von der Schatzkarte.
    » Schritt eins.«
    Er lud das Foto auf seinen Laptop.
    » Schritt zwei.«
    » Du bist so ein Schwachkopf«, kicherte Shelton.
    Hi fuchtelte mit seinem Zeigefinger. » Stör ein Genie nicht bei der Arbeit. Schritt drei.«
    Hi öffnete Firefox und klickte ein Satellitenfoto von Charleston an. Dann zog er mit einem Doppelklick das Foto der Schatzkarte hinüber, sodass beide Bilder nebeneinander zu erkennen waren.
    » Verstehe.« Shelton rückte seine Brille zurecht. » Soll ich mal übernehmen?«
    Hi trat bereitwillig zur Seite. » Hab schon darauf gewartet, dass du dich einmischst. Nur zu, großer Meister.«
    Mein Blick schoss zwischen den beiden hin und her. » Ich verstehe immer noch nicht, was ihr da vorhabt.«
    » Hi hat ausnahmsweise eine gute Idee gehabt«, erklärte Shelton. » Ich werde die Schatzkarte so bearbeiten, dass nur noch die Linien übrig bleiben. Dann können wir sie über das Satellitenfoto legen, um zu prüfen, inwieweit die beiden Bilder zusammenpassen.«
    » Die geraden Linien auf der Karte, könnten das Straßen sein?«
    » Gute Idee!« Shelton öffnete einen neuen Browser. » Lass uns die mal mit einer historischen Karte von Charles Town vergleichen.«
    Mehrere Klicks später hatte Shelton einen Stadtplan von 1756 gefunden.
    » Das dürfte nah genug dran sein«, sagte er.
    In den nächsten Minuten suchten wir nach übereinstimmenden Mustern. Doch hätten wir ebenso gut eine Nadel im Heuhaufen suchen können.
    Irgendwann entdeckte Hi eine vage Übereinstimmung.
    » Probier mal hier!«, rief er aufgeregt. » Diese beiden geraden Linien verlaufen ziemlich ähnlich wie die East Bay und die Church Street. Das könnte was sein!«
    » Das ist ja wie bei CSI :Miami.« Beide stießen enthusiastisch ihre Fäuste zusammen. Kindsköpfe.
    Ben schnaubte unwillig. » Meint ihr etwa, der Piratenschatz liegt direkt unter der East Bay Street vergraben? Mitten in der Stadt? Der wäre doch schon vor Jahrzehnten entdeckt worden.«
    » Wegen der vielen Höhlen gibt es dort aber kaum Infrastruktur unter der Erde«, erwiderte Hi, » nicht mal Abwasserkanäle.«
    » Und genau dort sind früher die East Bay Docks gewesen.« Sheltons Stimme schwoll plötzlich an. » Die auch Anne Bonny benutzt hat!«
    Ich fügte rasch die einzelnen Teile zusammen. » Wenn eure Theorie richtig ist, dann muss sich der Tunneleingang in der Nähe der Docks befinden.«
    » Wir müssen dort alles absuchen, was sich unter der Erde befindet.« Hi war vor Aufregung die Röte ins Gesicht geschossen. » Kellergeschosse, Grabgewölbe, was auch immer es da gibt.«
    » Können wir nicht einfach die Küste untersuchen?«, fragte ich skeptisch.
    Hi schüttelte den Kopf. » Die Uferpromenade befindet sich direkt über den Höhlen. Da brauchte man schon eine Taucherausrüstung, um etwas zu erkennen.«
    Ich schnippte mit den Fingern. » Ich hab’s!«
    Jetzt war es an mir, nach Hause zu rennen. Zwanzig Schritte zur Haustür, die Treppe zu meinem Zimmer rauf, ein bisschen Wühlen in den Taschen, dann nichts wie zurück. Die ganze Aktion hatte nicht mal zwei Minuten gedauert.
    » Beeindruckend!«, gab Hi zu. » Aber ich musste immerhin die ganze Hardware durch die Gegend schleppen.«
    » Ich weiß, wie wir dort unter die Erde gelangen«, sagte ich und hielt einen zerknitterten Flyer in die Luft. » Hier steht was von ›Geistertour‹. Seid ihr bereit?«

KAPITEL 16
    Aber die Geister mussten sich gedulden.
    Kit erteilte meinem Ansinnen sofort eine Absage.
    » Keine Chance«, entgegnete er. » Du bist immer noch auf Bewährung. Also keine Ausflüge am Mittwochabend, basta!«
    Ich hätte mir den Mund fusselig reden können, Kit hätte seine Meinung niemals geändert.
    Die anderen Eltern waren derselben Ansicht. Wir