VIRALS - Nur Die Tote Kennt Die Wahrheit
weiß, dass du nichts dafür kannst«, sagte ich. » Es ist nur…«
Die Worte wollten nicht heraus. Mir war klar, dass ich egoistisch und unreif war und mich wie ein verzogenes Kind benahm. Wie konnte ich ihm etwas vorwerfen? Doch ich war immer noch zu wütend, um mich bei ihm zu entschuldigen.
» Ich geh mit Coop spazieren.«
Ich durchquerte den Raum und nahm die Leine vom Haken. Kit versuchte nicht, mich aufzuhalten.
» Sei vorsichtig, es ist schon spät.«
In freudiger Erwartung eines nächtlichen Ausflugs flitzte Coop zur Tür. Ich gewährte ihm freien Auslauf.
Der Mond war wie ein heller Scheinwerfer. Eine Brise zauste mein Haar. Die Luft fühlte sich warm und feucht, aber nicht unangenehm an.
Ein schlechtes Gewissen überfiel mich. Einmal mehr hatte ich meinen Frust an Kit ausgelassen. Meinem Vater. An dem Menschen, der nur das Beste für mich wollte und mich über alles liebte. Warum benutzte ich ihn als Prügelknaben? Wozu sollte das gut sein?
Coop hetzte in Richtung Strand, auf der Jagd nach Krebsen und Nachtvögeln.
In meiner Tasche piepte und vibrierte es. Eine SMS .
Ich wollte sie nicht lesen. Wahrscheinlich bat mich Kit aus vollem Herzen um Verzeihung. Mein schlechtes Gewissen war schon groß genug.
Doch meine Neugier war stärker.
Ich zerrte das iPhone aus der Tasche und tippte auf das Display.
Jason Taylor.
Super.
Ich las die Nachricht.
Jason entschuldigte sich dafür, dass er mich im Yachtclub alleingelassen hatte. Er habe von der Geschichte gehört, fühle sich schrecklich. Blablabla. Ob ich ihm bitte zurückschreiben könne.
Löschen.
Das war das Letzte, an das ich jetzt meine Gedanken verschwenden wollte. Und aus irgendeinem Grund machte mich seine SMS stocksauer. Wo war Jason gewesen? Nur fünf Minuten, nachdem er mich am Dock abgeholt hatte, war er spurlos verschwunden. So viel zu seinem Versprechen, mich herumzuführen.
Und warum jetzt die Entschuldigung? Mit dem Angriff der sechsbeinigen Tussi hatte Jason nichts zu tun. Er schuldete mir nichts. Er war nicht dafür zuständig, meine Ehre zu verteidigen. Seine ganze Einstellung ging mir gegen den Strich. Ich konnte durchaus auf mich selbst aufpassen.
Warum passiert immer alles auf einmal?, fragte ich den Großen Wagen über mir.
Coop trottete vom dichten Schilfrohr zu mir herüber und leckte mir die Hände.
» Danke, mein Junge.« Ich strich ihm über den Rücken. » Du bist der Mann Nummer eins in meinem Leben.«
Ich spürte, wie sein Körper sich anspannte. Sein Kopf wandte sich unserer Wohnanlage zu.
» Ist was?«, flüsterte ich.
Coop machte einen Schritt nach vorn, streckte die Beine, knurrte. Mit gesträubten Nackenhaaren fokussierte er etwas in der Dunkelheit.
Ich dachte, wir seien hier draußen, am nächtlichen Strand, unter uns.
Ich lauschte angestrengt und bewegte mich nicht vom Fleck.
Dann hörte ich Schritte im Sand. Das Schlagen von Nylon im Wind.
Ich kniff die Augen zusammen, erkannte allmählich einen Schatten, der aus dem Dunkel auftauchte.
Zwischen mir und meinem Zuhause türmte er sich auf.
KAPITEL 17
» Ruhig, Coop!«
Meine Anspannung war wie weggeblasen. Ich kannte die Stimme.
Shelton kam langsam auf mich zu. Sorgte dafür, dass der Wolfshund ihn erkannte. Obwohl er noch ein Welpe war, konnte Coop mit seinen knapp dreißig Kilo doch gehörigen Schaden anrichten.
» Ruhig, mein Junge.« Ich kraulte ihm die Ohren. » Der gehört zu uns.«
Schließlich erkannte Coop Sheltons Geruch, stieß einen hellen Laut aus und wedelte mit dem Schwanz.
» Er wird immer mehr zum Wachhund«, stellte Shelton fest. » Gut, dass er so vertraut mit uns ist.«
Coop sprang an ihm hoch und landete mit den Vorderpfoten auf Sheltons Brust.
» Ist ja gut!« Shelton hielt sich nur mit Mühe auf den Beinen. » Ich hab dich ja auch vermisst!« Ich schnalzte mit der Zunge. Coop kam sofort zu mir zurück, ehe er wieder auf Krebsjagd ging.
» Und, gibt’s was Neues?« Ich. Aufgekratzt.
» Ist irgendwas?« Shelton, der mir den Ton nicht abkaufte.
» Ich hatte einen Streit mit Kit. Und ja, es war meine Schuld.«
» Bei uns zu Hause sieht’s auch nicht besser aus. Meine Eltern sind so gestresst, dass sie kaum noch miteinander reden.«
» Bist du deswegen noch so spät hier draußen?«
» Nee, ich wollte zu dir. Dein Dad hat mir gesagt, dass du mit Coop spazieren bist.«
» Und da bin ich!«
Coop, der die Route bestimmte, lief dem Anleger entgegen. Wir folgten ihm gemächlich.
» Worum ging’s denn?«, fragte
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