VIRALS - Nur Die Tote Kennt Die Wahrheit
Shelton.
» Um den möglichen Umzug«, antwortete ich seufzend. » Er hat ein paar Jobangebote an verschiedenen Orten erwähnt. Ich weiß, dass das nicht stimmt, aber manchmal kommt es mir so vor, als wären ihm meine Gefühle völlig egal. Ich hab die Beherrschung verloren und ihn angegriffen. Tochter des Jahres werde ich bestimmt nicht mehr.«
Wir gingen schweigend weiter.
» Ich muss immer wieder an Whisper und die anderen Tiere auf Loggerhead denken«, fuhr ich schließlich fort. » Diese Insel ist ein besonderer Ort. Sie an irgendwelche Bauunternehmen zu verkaufen, wäre doch kriminell.«
» Weißt du noch, wie sich Hi am Dead Cat Beach mal in den Ameisenhügel gesetzt hat?«, fragte Shelton kichernd. » Armer Kerl. Die Bisse waren noch eine Woche später zu sehen.«
Ich kicherte ebenfalls. » Fast so lustig wie damals, als Ben von den Affen gejagt wurde.«
» Gute Zeiten waren das«, sagte Shelton träumerisch. » Verdammt gute Zeiten.«
Erneute Stille. Der Gedanke an Loggerhead machte mich traurig.
Ich wechselte das Thema. » Was wolltest du mir eigentlich erzählen?«
» Ach ja! Etwas über Anne Bonny, das ich online entdeckt habe.«
» Super«, entgegnete ich lahm. Mehr Begeisterung konnte ich im Moment nicht aufbringen. Nach meinem Streit mit Kit kam mir die Schatzsuche kindischer vor denn je.
Doch Shelton hatte genug Enthusiasmus für uns beide.
» Ich hab aus Langeweile die verschiedensten Namen und Schlagwörter gegoogelt: Anne Bonny, Schatzkarte und so weiter. Eine Stunde lang habe ich nichts Spannendes gefunden, bis ich plötzlich auf das hier gestoßen bin!«
Shelton hielt etwas in die Höhe, das vermutlich ein Computerausdruck war.
» Ich kann nichts erkennen«, erwiderte ich. » Was ist das?«
» Eine Anzeige. Ein Pfandleiher in North Charleston bietet verschiedene Artefakte aus der Piratenzeit zum Verkauf an.«
» Das ist alles?« Sheltons Naivität überraschte mich. Ein Pfandleiher?
» Natürlich nicht. Der Verkäufer behauptet, dass sich unter den Sachen auch Papiere befinden, die mit Anne Bonny in Verbindung stehen.«
» Und das glaubst du?«
Shelton nickte.
» Warte mal. Wo in Charleston ist dieser Pfandleiher?«
» Ist nicht gerade die nobelste Gegend«, musste Shelton zugeben. » Myers.«
» Myers?« Eines der berüchtigtsten Viertel nicht nur dieser Gegend.
» So schlimm wird’s schon nicht sein«, brummte Shelton. » Wir können ja tagsüber hingehen.«
» Lass mich noch mal zusammenfassen.« Ich blieb stehen. » Du willst ein Pfandhaus in Myers aufsuchen, weil die in einer Annonce irgendein Piratenzeug anbieten, das angeblich mit Anne Bonny zu tun hat. Ist das dein Ernst?«
» Hab ich doch schon gesagt. Ich zeig’s dir mal bei besserem Licht.« Shelton eilte dem Anleger entgegen. Ich folgte ihm auf dem Fuße.
» Fällt dir was auf?« Er drückte mir den Zettel in die Hand.
Ich glättete das Papier, konnte im trüben Licht aber nach wie vor nicht viel erkennen. Sah wie eine gewöhnliche Anzeige aus. Authentische Piratensammlung. Seltene Dokumente. Anne Bonny. Unschätzbarer Wert. Historische Kostbarkeit. Das übliche Gewäsch.
Ich wollte Shelton das Blatt schon zurückgeben, als mir etwas auffiel.
» Oh!«
» Na endlich«, sagte Shelton. » Ich dachte, das sollten wir überprüfen.«
» Und ob!«
Die Anzeige war von einem rechteckigen Rand umgeben, jede Ecke mit einem abgedroschenen Motiv verziert. Totenkopf und gekreuzte Knochen. Geschwungene Säbel. Eine Schatztruhe. Das Übliche.
Abgesehen von dem Symbol in der rechten unteren Ecke.
Es stellte ein Kreuz dar. Groß und dünn, mit nach rechts abknickender Spitze und einem Ring an der Stelle, an der sich die Waagrechte und die Senkrechte trafen.
» Na, wo haben wir das schon mal gesehen?«, fragte Shelton mit triumphierender Stimme.
Unser High five echote über das Wasser.
KAPITEL 18
» Wie kommen wir da hin?« Hi wischte sich den Schweiß von den Brauen.
Wir standen auf der Asphaltfläche hinter unserer Wohnanlage. Die Sonne knallte bereits unbarmherzig vom Himmel, es herrschte eine Bullenhitze.
Shelton fütterte das GPS -Programm seines Handys mit der Adresse des Pfandhauses. Er trug ein weißes Polohemd und eine beige Cargoshorts. Neben ihm stand Ben, so still wie immer. Die Hitze schien ihm nie etwas auszumachen.
» Ben fährt«, sagte ich.
» Was tu ich?«
» Wir nehmen Kits Auto. Er ist bei der Arbeit.«
» Kit hat uns erlaubt, seinen SUV zu nehmen?« Shelton klang skeptisch.
» Er hat
Weitere Kostenlose Bücher