VIRALS - Nur Die Tote Kennt Die Wahrheit
gefiel der Verlauf des Gesprächs nicht. » Wie willst du das machen?«
» Indem ich von hier verschwinde.« Seine Augen funkelten verschmitzt. » Und ihr werdet mir dabei helfen.«
KAPITEL 43
Auf dem Rückweg entspann sich eine hitzige Diskussion.
» Nie im Leben!« Ben rollte am Wachhäuschen vorbei und bog in Richtung Highway ab. » Chance ist ein totaler Schwachkopf. Warum sollten wir ihm helfen?«
» Weil wir durch ihn an Bonnys Kreuz rankommen«, antwortete ich. » Er will es uns persönlich zeigen.«
» Chance ist aber keine Karte, die du einfach in die Tasche stecken kannst«, argumentierte Shelton von der Rückbank aus. » Wie sollen wir den da rausholen? Die Klinik ist eine Festung.«
» Die in der Mitte eines Sees liegt«, ergänzte Ben.
Hi steckte seinen Kopf zwischen den Vordersitzen hindurch. » Es würde keine Minute dauern, bis sie merken, dass er verschwunden ist. Dieser Guzman wird zwei und zwei zusammenzählen und die Schule verständigen… und die Polizei.«
» Wir haben mit dem Schülerrat nicht das Geringste zu tun«, fuhr Ben fort, » und du hast unsere richtigen Namen benutzt.«
Weitere Warnungen waren überflüssig. Wenn wir Chance da rausholten, würde der Verdacht sofort auf mich fallen. Es wäre eine Verzweiflungstat.
» Warum kann Chance nicht alleine ausbrechen?«, fragte Shelton.
» Weil der einzige Fluchtweg am Wachhäuschen vorbeiführt«, antwortete ich. » Was im Prinzip egal ist, weil er sowieso kein Auto hat.«
» Er wäre wirklich verrückt, wenn er versuchte, sich zu Fuß durch die Sümpfe zu schlagen.« Hi schauderte. » Da muss es vor Krokodilen nur so wimmeln. Man könnte sich auch gleich mit Speck umwickeln.«
» Eine Festung…«, wiederholte Shelton. » An dem Wachhäuschen kriegen wir doch kein Fahrzeug unbemerkt vorbei.«
» Und warum sollten wir ihm vertrauen?« Bens Frage war an mich gerichtet. » Der Typ hat ’ne Meise unterm Pony.«
» Wir haben ihn doch gerade in der Klapsmühle besucht«, bekräftigte Hi. » Nach allem, was man weiß, tanzt der nackt mit Strumpfpuppen durchs Zimmer und plant die Eroberung von Kanada.«
» Das glaube ich nicht.« Ich hob die Hand, um His nächster Replik zuvorzukommen. » Chance ist emotional erschüttert und hat sicher einige Probleme, aber er ist nicht verrückt, sondern nur… traurig. Vielleicht traumatisiert. Guzman hat doch gesagt, dass er für andere Menschen keine Gefahr darstellt.«
» Dann macht er uns etwas vor.« Neuer Gesichtspunkt von Shelton. » Der hat Bonnys Kreuz vielleicht noch nie gesehen. Hast du ihn gefragt, ob er es beschreiben kann?«
» Dazu war nicht genug Zeit.« Verflixt.
» Guzman hat gesagt, dass wir die ersten Besucher überhaupt waren.« Shelton ließ nicht locker. » Chance hätte alles behauptet, damit wir ihm helfen.«
Wir fuhren schweigend weiter, erreichten James Island und nahmen Kurs Richtung Süden auf die Folly Road. In zwanzig, fünfundzwanzig Minuten würden wir zu Hause sein.
Ich traf eine Entscheidung. » Solange wir noch keine Übersetzung des gälischen Gedichts haben, ist das Kreuz unser einziger Anhaltspunkt. Und der Weg zum Kreuz führt nur über Chance. Ich würde es riskieren.«
Erst mal keine Reaktion.
» Mal angenommen, wir helfen ihm«, sagte Ben schließlich. » Wie sollten wir das anstellen?«
Das war der Ball, auf den ich gewartet hatte.
» Wir machen es auf unsere Weise«, antwortete ich. » Kein Wachhäuschen. Kein auffälliger Geländewagen.«
» Verdammt!« Hi warf einen Blick aus dem Rückfenster. » Verdammte Scheiße!«
» Was ist?« His Kürbiskopf verdeckte mir die Sicht auf die Heckscheibe. » Ein Unfall?«
» Ein roter Studebaker. Drei Fahrzeuge hinter uns.«
» Bist du sicher?«
Ben drückte das Gaspedal weiter durch. » Folgt er uns?«
Als ich mich umdrehte, wechselte ein roter Wagen auf die linke Spur, überholte zwei Fahrzeuge und ordnete sich dann wieder rechts ein, um einem entgegenkommenden Truck auszuweichen. Eine zornige Hupe war zu hören.
» Der bleibt an uns dran!« Shelton starrte durch die hintere Scheibe. » Verdammter Mist!«
» Wie lange ist der schon hinter uns?« Bens Augen flitzten zwischen den Spiegeln und der Straße hin und her. » Schon seit der Klinik?«
» Keine Ahnung«, antwortete Hi. » Hab ihn ja gerade erst bemerkt.«
Wir querten den Intracoastal Waterway, gelangten nach Folly Beach und bogen links nach Ashley ab. Ben drosselte das Tempo, während wir durch die belebte Wohngegend rollten.
» Er
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