Virgil Flowers 03 - Bittere Suehne
Jim«, er deutete mit dem Daumen zum Van, »damit nach Bemidji. Die sollen das Ding analysieren. Die anderen sind beim Biberbau.«
»Gute Arbeit.«
»War nicht schwierig. Die Patrone lag so offen da, dass wahrscheinlich sogar Sie sie gefunden hätten«, frotzelte Mapes.
Virgil reichte ihm die Autoschlüssel von Erica McDill. »Da ich wusste, dass Sie mich beleidigen würden, habe ich überall in dem Wagen meine Fingerabdrücke hinterlassen. Versuchen Sie trotzdem, was zu finden.«
Virgil setzte sich wieder in den Honda Pilot und erzählte Zoe von der Patrone. »Jetzt muss ich nur noch ein Gewehr und ein Paar Mephisto-Schuhe aufspüren, und schon habe ich den Mörder.«
»Können Sie das Gewehr anhand nur einer Patrone bestimmen?«
»Ich nicht, aber das Labor an den Auswurfspuren. Und mit ein bisschen Glück hat der Täter die Patrone mit dem Daumen ins Magazin geschoben, und es befindet sich ein hübscher Fingerabdruck darauf. Auf Messing sind Fingerabdrücke gut zu erkennen.«
»Mmm. Jedenfalls besitze ich keine Mephistos. Warum haben Sie mich das gefragt?«
»Weil die Mörderin von Erica McDill vielleicht aus der Gegend stammt – sie kannte den besten Weg zum Teich – und Mephisto-Schuhe trug.«
»Sie halten mich für die Täterin?«
»Sie treiben sich in der Gegend rum. Psychopathen machen so was«, erklärte Virgil.
»Ich treibe mich aus Neugierde hier rum und bin keine Psychopathin, sondern manisch-depressiv.«
»Genau das würde eine Psychopathin sagen. Der Fall der neugierigen Buchhalterin – die Frau, für die Blut ein Cocktail war.«
»Sind Sie sicher, dass es eine Frau war?«
»Ziemlich sicher«, antwortete Virgil.
»Und von hier.«
»Möglich. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass sie aus der Anlage kam. Würden Sie mir einen oder zwei verdächtige Namen nennen?«
»Nein. Aber nachdenklich stimmt mich das schon.«
»Sollte es auch«, meinte Virgil.
»Dürfen Sie mir das alles überhaupt sagen?«
»Warum nicht? Ich habe nichts zu verbergen.«
»Und wenn ich’s rumerzähle?«
Virgil schob gähnend seinen Sitz ein paar Zentimeter zurück und schloss die Augen. »Machen Sie ruhig. Ist mir egal.«
Am Flughafen brachte Zoe ihn zu einem Metallschuppen. Darin saß ein Mann mit Pilotenmütze halb schlafend auf einer Couch. Er stand auf und fragte: »Sind Sie der Typ von der Staatspolizei?«
»Ja, könnte man so sagen«, antwortete Virgil. Er mietete einen Chevy Trailblazer, holte seinen Matchsack aus Zoes Honda und warf ihn auf den Rücksitz des Geländewagens.
»Wieso haben Sie keine Waffe?«, erkundigte sich Zoe durch die offene Autotür. »Müssen Polizisten denn nicht Waffen tragen? Das hab ich irgendwo gelesen.«
»Meiner Erfahrung nach können schlimme Dinge passieren, wenn man eine Handfeuerwaffe bei sich führt«, antwortete Virgil. »Man kriegt eine schiefe Schulter davon, im Lauf der Jahre vielleicht sogar Probleme mit der Wirbelsäule.«
»Ich weiß nicht, ob das eine hoffnungslose Charmeoffensive ist oder ob Sie einfach nur schräg sind«, sagte sie.
»Könnten Sie mir den Weg zum Wild Goose beschreiben? Ich würde mir das Lokal gern ansehen.«
»Fahren Sie mir nach. Ich lotse Sie hin«, meinte Zoe. »Ist praktisch eine Frauenkneipe. Als Mann allein kommen Sie sich da vielleicht ein bisschen fehl am Platz vor. Einsam.«
Das Wild Goose lag einen Kilometer nördlich der Stadtgrenze von Grand Rapids. Es handelte sich um eine ganz normale North-Woods-Bar – geschälte Kiefernstämme mit orangefarbenen Flecken auf rechteckigem Betonfundament, Parkplatz mit aufgeschüttetem Kies, Zinnkamin, niedrige Holzveranda und ein geschnitzter, aufrecht stehender Schwarzbär mit amerikanischer Flagge in der Pranke, der die Tür bewachte.
Auf dem Platz vor dem Eingang standen vier Autos und seitlich davon zwei weitere. Wahrscheinlich gehörten die an der Seite dem Barkeeper und dem Koch; bei den meisten Country-Kneipen versuchten die Beschäftigten ihre Wagen so abzustellen, dass keine Betrunkenen dagegenstolperten.
Im Innern wirkte das Lokal gemütlicher als die meisten, die Virgil kannte. Es gab viele Nischen und nur wenige freistehende Tische, vier Hocker an der Bar, eine kleine Bühne, eine Tanzfläche und eine Jukebox. In drei der Nischen saßen Frauen, zwei in einer, drei in der zweiten, vier in der dritten. Auf einem der Barhocker starrte ein älterer Mann in sein halbleeres Bierglas.
Virgil und Zoe gingen zur Theke.
»Hey, Chuck«, begrüßte Zoe den Barkeeper,
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