Virgil Flowers 03 - Bittere Suehne
Freunden von Ms McDill sprechen«, verkündete Virgil.
»Haben Sie irgendwas rausgefunden?«
»Vielleicht«, antwortete Virgil mit einem geheimnisvollen Lächeln.
Zoe Tull unterhielt sich gerade mit einem Latino, der eine Gartenmaschine auf einer Werkbank zerlegte. Als sie Virgil bemerkte, winkte sie ihm kurz zu und wandte sich dann wieder an den Latino. Virgil nahm Erica McDills Autoschlüssel aus der Tasche, drückte auf den Entriegelungsknopf und sah die Lichter eines silberfarbenen SL 550 aufleuchten.
Er öffnete die Tür auf der Fahrerseite, ging in die Hocke und schaute hinein: Papiertaschentücher, ein Handy-Akku im Zigarettenanzünder, eine Flasche Off!, Pflaster, Pfefferminzbonbons, Kaugummi, zwei Lippenstifte, eine Geldautomatenquittung von Wells Fargo mit einem Kontostand von 23.241 Dollar, Stifte, ein Scheckheft, ein Mehrzweckmesser, eine LED-Taschenlampe, zwei leere Pepsi-Light-Flaschen, ein Pullover, eine Baumwolljacke, ein Schirm, ein Dutzend Visitenkarten in einer Ledermappe.
Er dachte gerade: Was für ein Chaos, als Zoe hinter ihm fragte: »Ziemlich ordentlich, was?«
Virgil richtete sich auf. »Ich hatte gehofft, hier einen Erpresserbrief zu finden. Sind Sie fertig?«
»Ja.«
Virgil blickte zu dem Latino hinüber, der nach wie vor an der Maschine schraubte. »Illegal?«
»Würden Sie ihn verhaften, wenn’s so wäre?«, fragte sie.
Virgil lachte. »Wenn ich anfangen würde, illegale Mexikaner zu verhaften, gäb’s bald kein Lokal mehr, wo ich essen kann.«
»Er ist nicht illegal hier. Soweit ich weiß, arbeiten auch ein paar Illegale für Margery, die sie schwarz bezahlt, aber Julios Name steht ganz offiziell in den Büchern. Deswegen wollte ich seine Green-Card-Nummer«, erklärte Zoe. »Damit die Leute vom FBI sehen, dass wir keine krummen Dinger drehen.«
»Ich will Ihnen ja nicht die Illusionen rauben, aber die Leute vom FBI glauben grundsätzlich nichts.«
»Kann ich ihnen nicht verdenken. Ich kenne einen Richter, der noch drei Jahre nach der Scheidung Kosten für die Familie von der Steuer abgesetzt hat.«
»Musste er ins Gefängnis?«, fragte Virgil.
»Man hat ihn nicht erwischt. Ist übrigens kein Mandant von mir. Die Geschichte hab ich von einem befreundeten Buchhalter, der die Unterlagen des Richters geprüft hat. Dieser Arsch hat sich mit der Ausrede rausgewunden, dass er nichts von der Sache wusste.«
»Scheint die Standardausrede für Verbrechen zu sein«, sagte Virgil.
Zoe fuhr einen roten Honda Pilot, hinter dessen Fahrersitz sich eine Aktenbox aus Metall befand. Im Fußraum des Beifahrersitzes lagen leere Wasserflaschen und Eiscremepapier. Zoe legte die Aktenmappe in die Metallbox, hob die Papiere und die Flaschen auf und warf sie auf den Rücksitz, bevor sie sich auf den Weg machten.
»Irgendeine Vermutung, wer’s gewesen ist?«, fragte sie.
»Schon«, antwortete Virgil. »Aber reden wir nicht über den Mord, sondern über Sie, über Ihr Leben und Ihre Freunde. Hübsche Schuhe tragen Sie da. Sind das Mephistos?«
Ein verwirrter Blick. »Wie bitte?«
»Ich mache nur Konversation«, erklärte Virgil, zu dem ein leicht blumiger Duft mit einem Hauch Vanille von Zoe herüberwehte.
»Virgil, haben Sie gekifft? Was reden Sie da?«
»Das sind keine Mephistos, oder?«
Zoe hob den Fuß ein wenig an, so dass er das Nike-Logo sehen konnte. »Ich würde einen Mephisto nicht mal dann erkennen, wenn er mich in den Hintern beißt.«
»Das wäre ein echtes Kriegsverbrechen.«
Sie lächelte. »Bob Sanders sagt, Sie hätten ständig mit Gemetzeln zu tun.«
»Ich bin schockiert«, sagte Virgil, bemüht desinteressiert. » Zutiefst schockiert. «
»Sie sehen nicht aus wie jemand, der für ein Massaker verantwortlich ist«, stellte sie fest.
»Bin ich auch nicht.«
Als sie das Ende der Auffahrt erreichten, sah Virgil von links den Van der Spurensicherung herannahen. »Moment mal, ja?«, sagte er zu Zoe. »Ich möchte fragen, ob sie was rausgefunden haben.«
Er sprang aus dem Wagen. Als der Fahrer des Vans ihn bemerkte, lenkte er ihn an den Rand der Straße. Mapes stieg mit einer kleinen Plastiktüte aus, die er Virgil reichte. Virgil hielt sie ins Licht.
»Ein.223er«, stellte er fest. Das Messing der Patronenhülse glänzte.
»Ganz frisch. Man riecht noch das Pulver«, sagte Mapes. »Sie lag zwischen Baumstämmen, ein paar Zentimeter über der Wasseroberfläche. Lang kann der Schütze nicht danach gesucht haben – sie war deutlich zu sehen. Ich schicke
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