Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
wundert mich, dass eine Frau bei ihm gewesen sein soll.«
»Interessierte er sich denn nicht für Frauen?«
»Doch.« Wood kratzte sich knapp über dem linken Ohr am Kopf. »Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll. Er hat sich für Frauen interessiert und war eine Weile verheiratet, aber ich habe ihn nie mit einer ausgehen sehen. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Hätten denn Frauen Interesse an ihm gehabt?«, fragte Virgil. »Wenn er sich umgesehen hätte?«
»Ja, ich denke schon. Hier herrscht kein großer Frauenüberschuss, aber er hatte einen guten Job. Sie wissen ja, wie das ist.«
Virgil nickte. »Sie sind hin und wieder mit ihm ein Bier trinken gegangen …«
»Ja, und ein paarmal im Jahr waren wir miteinander angeln. Wir waren nicht eng befreundet. Ich bin verheiratet, er war Single … aber wir kannten uns eine ganze Weile.«
»Fällt Ihnen irgendetwas ein …?«
»Er war ziemlich dicke mit Jake Flood. Seit der Kindheit. Irgendeine Verbindung muss bestehen zwischen dem Mord an Jake und dem an Jim.«
»Ja, und die suchen wir«, erklärte Virgil.
»Sie sollten mit seiner Exfrau reden«, riet ihm Wood. »Sie wohnt in Jackson und heißt Kathleen Spooner. Kate. Hat nach der Trennung wieder ihren Mädchennamen angenommen.«
»Unschöne Trennung?«
»Nein, glaub ich nicht. Er hat gesagt, er hätte keine Ahnung, was passiert ist. Eines Tages ist er heimgekommen, und sie hat ihm erklärt, dass sie auszieht. Sie hatte am gleichen Tag die Scheidung eingereicht und wollte wissen, was ihm zum Abendessen lieber ist: Schweinekoteletts oder Hackbraten.«
Die Frau meldete sich zu Wort: »Ich habe mich im Ort mit ihr unterhalten. Sie meint, sie hätte ihn sattgehabt. Sie wäre von Anfang an nicht sonderlich scharf drauf gewesen, ihn zu heiraten.«
»Sie hat ihn verlassen«, sagte Wood.
»Wollte er den Hackbraten?«, erkundigte sich Virgil.
»War eher der Schweinekotelett-Typ«, antwortete Wood.
Im Lauf des weiteren Gesprächs kam nichts wirklich Interessantes mehr heraus. Wood kannte weder Kelly Baker noch ihre Familie. »Ihr Silo ist so klein, dass nichts versiegelt werden muss.«
»Wissen Sie etwas über Jakes Religion?«, fragte Virgil.
»Nur, dass sie irgendwie ungewöhnlich ist. Er hat nicht viel davon erzählt und ist auch nicht oft zu den Gottesdiensten …«
»Ich habe den Eindruck, dass die Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft sich nach außen hin abschotten.«
»Manche ja, andere nicht«, sagte Wood. »So richtig verstehe ich sie nicht, weil es mich eigentlich nicht interessiert. Sie sind jedenfalls nicht wie die Amish. Ich war in manchen ihrer Häuser, und sie besitzen Fernseher, Stereoanlagen, Computer und andere technische Geräte. Schnittige Autos sind ihnen nicht wichtig – die meisten haben einen Ford oder Chevy. Doch sie kaufen Star-Wars-Farmgeräte. Das heißt, sie haben Geld.«
Virgil gab ihm seine Visitenkarte und ging hinaus zu seinem Truck. Er hatte gerade den Motor angelassen, als Wood, die Schultern wegen der Kälte hochgezogen, zu ihm lief. Er deutete auf den Beifahrersitz, Virgil öffnete die Tür, und Wood stieg ein.
»Ich wollte nicht so viel reden vor Delores. Sie ist eine gute Buchhalterin, kann aber den Mund nicht halten. Und ich will niemanden wegen Gerüchten in Schwierigkeiten bringen.«
»Wer nichts angestellt hat, kriegt auch keine Schwierigkeiten«, erwiderte Virgil.
Wood schüttelte den Kopf. »Ich bin alle paar Jahre draußen bei den Floods. Sie haben eine Herde mit einhundert grasgefütterten Charolais-Rindern für Delikatessenläden und einige Winterfutterstellen, die ich versiegle … Jedenfalls war ich vor zwei Jahren dort, und ich habe Jim gegenüber bemerkt, wie gläubig die Floods sind. Er war ein bisschen angetrunken und hat gesagt: ›Ja, tiefgläubig, und sie bumsen wie die Karnickel.‹« Wood hielt die Hände über den warmen Luftstrom aus der Heizung. »Das klang irgendwie komisch. Als ich ihn bei unserem nächsten Treffen danach gefragt habe, konnte er sich angeblich nicht mehr erinnern. Mir war klar, dass er lügt.«
»Und was war komisch?«
»Sein Tonfall. Und sein Benehmen. Als läge ein dunkles Geheimnis auf dieser Religion.«
»Mehr wissen Sie nicht darüber?«
»Nein. Hier gibt’s jede Menge kleine Sekten, Bibelgläubige jeglicher Couleur. Wir haben auch ein paar eingewanderte Moslems und sogar einen Rabbi in der Gegend.« Er schüttelte den Kopf. »Ich dachte mir, das mit Jim sollten Sie wissen.«
»Danke. Falls Ihnen
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