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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Auftrag.«
    »655 Mo, fünfzehnter, Empfang.«
    Sie holte die Sendung ab und fuhr zu 555 Cali,
    einundfünfzigster Stock. Lieferte sie ab und fuhr wieder runter. Nach dem vielversprechenden Morgen war der Tag grau geworden.
    »456 Montgomery, dreiunddreißigster, Empfang.
    Nimm den Lastenaufzug.«
    Sie hielt inne, die Hand in der Erkennungsschlaufe des Fahrrads. »Wieso das denn?«
    150
    »Sie sagen, die Boten würden Graffiti in die
    Personenaufzüge schnitzen. Nimm den Lasten, oder die schmeißen dich raus; wenn wir da nicht mehr reinkommen, fliegst du bei Allied auch raus.«
    Sie erinnerte sich daran, daß sie Ringers Emblem in die Kontrollplakette in einem der Fahrstühle von 456
    eingeritzt gesehen hatte. Ringer, dieser Idiot. Er hatte mehr Fahrstühle verunstaltet als irgendwer vor ihm.
    Schleppte zu dem Zweck einen regelrechten
    Werkzeugkasten mit sich rum.
    456 schickte sie mit einem Karton nach l EC, der
    eigentlich zu groß war, als daß sie ihn hätte annehmen dürfen, aber dafür gab es ja schließlich Gepäckträger und Spanoseile, und warum sollte man dem Käfigfahrer das Geschäft überlassen? Bunny rief sie auf dem Weg nach draußen und gab ihr 50 Beale, die Caféteria im ersten Stock. Sie vermutete, es würde die Handtasche einer Frau sein, eingewickelt in eine Plastiktüte aus der Küche, und sie hatte recht. Braun, Krokodilleder oder so, mit ein paar grünen Rüschen an den Ecken. Frauen ließen ihre Handtaschen liegen, dann fiel es ihnen wieder ein, sie riefen an und baten den Manager, sie ihnen per Boten bringen zu lassen. Normalerweise gut für ein Trinkgeld. Ringer und ein paar von den anderen würden so eine Tasche aufmachen und nachsehen, was drin war; manchmal fanden sie Drogen. Sie würde das nicht tun.
    Sie dachte an die Sonnenbrille ...
    151
    Sie konnte heute keinen Run kriegen. Bei Allied gab es praktisch keine Routenplanung, aber manchmal bekam man zufällig einen Run; man holte hier was ab, brachte es dorthin und fuhr von da aus gleich weiter zum nächsten Ziel. Aber das war selten. Wenn man bei Allied arbeitete, mußte man mehr fahren. Ihr Rekord waren sechzehn Aufträge an einem Tag; genauso viel Arbeit wie vierzig bei einem anderen Unternehmen.
    Sie brachte die Handtasche zur Fulton, Ecke
    Masonic, und bekam zwei Fünfer, nachdem sich die
    Eigentümerin vergewissert hatte, daß noch alles da war.
    »Das Restaurant sollte sie eigentlich zu den Cops bringen«, sagte Chevette. »Wir übernehmen nicht so gern die Verantwortung dafür.« Die Handtaschenbesitzerin, eine Sekretärin oder so, sah sie nur groß an. Chevette steckte die Fünfer ein.
    »298 Alabama«, sagte Bunny, als ob er ihr eine teure Perle anbieten würde. »Streng deine Schenkelchen an ...«
    Sie würde sich den Arsch abfahren, um dorthin zu
    kommen, würde die Sendung abholen und sie irgendwo hinbringen. Aber heute war einfach nicht ihr Tag.
    Die Sonnenbrille von diesem Arschloch ...
    »Aus taktischen Gründen«, sagte die Blondine,
    »treten wir gegenwärtig nicht dafür ein, Gewalt oder Hexerei gegen Privatpersonen anzuwenden.«
    Chevette war gerade von der Alabama Street
    zurückgekommen, ihrem letzten Auftrag für heute. Die 152
    Frau auf dem kleinen, flachen CNN-Monitor über der Tür zu Bunnys Loch hatte sich was Schwarzes und Elastisches übers Gesicht gezogen und drei dreieckige Löcher reingeschnitten. Am unteren Bildschirmrand stand in blauer Schrift ›FIONA X — SPRECHERIN
    — SOUTH ISLAND LIBERATION FRONT‹.
    In dem zu hell beleuchteten Neonflur, der zu Allied Messengers führte, roch es nach heißem Styrol, Laserdruckern, weggeworfenen Laufschuhen und
    abgestandenem Schnellimbißfraß. Letzteres rief bei Chevette Erinnerungen an einen ungeheizten
    Tageskindergarten in einem Keller in Oregon wach, in den durch trübe Fenster unter der Decke farbloses Winterlicht fiel. Aber jetzt wurde die Tür zur Straße hinter ihr aufgerissen, ein Paar dreckige, grellbunte Turnschuhe Größe 44 kamen die Treppe heruntergestampft, und Samuel Saladin DuPree, die Wangen mit verkrusteten grauen Kommata aus Straßendreck gesprenkelt, stand da und grinste sie breit an.
    »Worüber freust du dich denn so, Sammy Sal?«
    DuPree, Allieds konkurrenzlos schönstes Ding auf
    zwei Rädern, war ein Meter fünfundachtzig schillernder Ebenholzschwärze mit einem Körper von solcher Eleganz und Kraft darunter, daß Chevette sich seine Knochen als ein Quecksilbergerüst aus dreifach verchromtem, poliertem Metall vorstellte. Wie in den

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