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Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Martinez
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einfach. Ich mag Narben, weil ich Geschichten mag. Mut, Dummheit, Schmerz – nichts bekommt man umsonst.
    »Ist es nicht merkwürdig, dass ich keine Narben habe?«, fragte ich Diana einmal am Frühstückstisch.
    »Nein, das ist überhaupt nicht merkwürdig. Du hast keine Narben, weil du dich anmutig bewegst und ein räumliches Bewusstsein hast.« Sie nahm einen Schluck Kaffee. »Ganz abgesehen davon, dass du jung bist und Glück hast.«
    »Aber nicht mal eine einzige?«
    Clark sah von der Zeitung auf. »Das kommt, weil du langsam isst«, sagte er, hob seine rechte Hand mit den viereinhalb Fingern und wackelte mit dem Stumpen. »Komm mal rüber und gib mir dein großes Indianerehrenwort, dass du niemals an einem Wettbewerb im Hot-Dog-Essen teilnehmen wirst.«
    Ich musste lachen. Diana verdrehte die Augen. Clark zuckte die Achseln und grinste. Auftrag ausgeführt.
    Das Projekt Inderal-Entgiftung war schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte.
    Ich übergab mich zweimal. Das erste Mal auf der Toilette in meiner Garderobe. Glücklicherweise war mein Haar schon hochgesteckt und mit Haarspray zementiert, sodass es nichts abbekam. Und Gott sei Dank war Diana nicht dabei. Sie hätte wahrscheinlich erraten, warum mir schlecht war und hätte mich gezwungeneine Tablette zu schlucken. Ich hatte die Pillendose absichtlich zu Hause liegen lassen, damit ich es mir nicht anders überlegen konnte, aber ich wusste, dass sie welche für Notfälle in ihrer Tasche aufbewahrte.
    Ich hatte sie den ganzen Tag noch nicht gesehen. Sie hatte mich meiner Scham überlassen oder was ich jetzt sonst fühlen sollte, während sie Besorgungen machte. Das war in Ordnung so. Ich hatte auch keine Lust mit ihr zu sprechen.
    Clark hatte mich zwei Stunden vor dem Konzert am Symphony Center abgesetzt und sich mit seinem üblichen Doppel-Hupen verabschiedet, mit dem er mir immer viel Glück wünschte. Er wollte später im Publikum sitzen. Wahrscheinlich würde er auf seinem Smartphone alle fünf Minuten nach dem Spielstand im Spiel der White Sox sehen, aber er wäre jedenfalls da.
    Und die Glenns auch. Anscheinend hatten meine Großeltern gestern Abend angerufen und verkündet, dass sie in Chicago waren und das Konzert besuchen würden.
    Ich war zu meiner Garderobe gegangen, derselben, in der ich Jeremy getroffen hatte, und hatte versucht, das Zittern meiner Hand zu ignorieren, als ich den Türknauf umdrehte. Meine Finger waren zweimal abgerutscht, ehe ich es schaffte, fest zuzufassen und den Knauf zu drehen. Normalerweise war das der friedliche Teil des Abends: vor den anderen Musikern ankommen und die Stille des Auditoriums genießen, ehe eine Million melodischer Fragmente in die Luft stiegen. Mein Herz schlug schon jetzt zu schnell und schmerzte hinter meinem Brustkorb.
    Ich musste mich nur daran erinnern, was Dr. Wright gesagt hatte: Inderal macht nicht physisch abhängig. Falls das stimmte, dann bildete ich es mir nur ein, dass mein Körper sich so anfühlte, als würde er kurz vor einem Zusammenbruch oder einer Explosion stehen. Und das bedeutete auch, dass der Schmerz in meinem Magen nichts als eine Neurose war.
    Dr. Wright erzählte eine Menge Schrott.
    Geplant war, dass Diana eine Stunde vor Konzertbeginn zu mir in die Garderobe kam.
    Meine Entschlossenheit ließ stetig nach. Wenn sie auftauchte, würde ich sie wahrscheinlich anflehen, mir eine Inderal zu geben.
    Ihre Besorgungsliste war lang, darauf stand auch, dass mein Kleid für das Konzert von Dianas Schneiderin in Chinatown abgeholt werden musste, und zwar irgendwo zwischen Strumpfhose kaufen und die Musik für die Jury abliefern . (Noch zehn Tage bis zum Wettbewerb – heute war der Stichtag für die Abgabe der Originalpartituren aller Guarneri-Halbfinalisten.)
    Ich hatte dieses Kleid nur einmal zuvor bei einem Konzert getragen, aber das war mehr als zwei Jahre her. Jetzt spannte es über der Brust und musste geändert werden. Das hatten wir nur herausgefunden, weil Diana darauf bestand, dass ich jedes Kleid für ein Konzert drei Wochen vorher anprobierte, falls es irgendwo Lippenstiftflecken zu entfernen gab oder Säume repariert werden mussten. Heidi und sie waren sich einig gewesen, dass das Bustier zu eng war. Heidi sprach mich noch Tage danach nur mit Dolly Parton an. Also waren wir gemeinsam zu Dianas Schneidern Mei-Ling zur Anprobe gefahren. Heidi war mitgekommen, damit wir während der Fahrt nach Chinatown Physik pauken konnten, verbrachte dann aber die meiste Zeit damit, Haikus

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