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Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Martinez
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an den Rand meines Notizblocks zu kritzeln, die sich darum drehten, wie sehr sie General Electric hasste (wo sie ihr letztes Jobinterview vergeigt hatte), während Diana am Handy hing und mit ihrem Reisebüro über Flugpreise nach Sydney im August verhandelte. Seitdem hatte ich das Kleid nicht mehr gesehen. Für den Fall der Fälle hatte ich ein Ersatzkleid mitgebracht, aber mir gefiel das andere besser. Es war weiß und das schien mir genau die richtige Farbe für einen Neuanfang zu sein.
    Meine Vorbereitungen zogen sich qualvoll in die Länge. Ich übte, ich steckte die Haare hoch, ich übte, ich begann zu zittern, mir wurde schlecht, ich schminkte mich, ich versuchte an schöne Dinge zu denken, wie einen Sandstrand oder Schokoladeneis. Ich fragtemich, ob Jeremy wohl im Publikum säße, ich übergab mich, ich übte, ich ging auf und ab, ich ruderte mit den Armen, um meine Finger zu durchbluten, und dann übte ich noch ein bisschen mehr. Dass ­Diana noch nicht hier war, gab mir zumindest etwas Konkretes, über das ich mich aufregen konnte. Darüber nervös zu werden, dass ich nervös werden könnte, war einfach zu abstrakt. Aber ich konnte ausflippen, weil mein Kleid noch nicht hier war und das fühlte sich viel besser an.
    Was um alles in der Welt mache ich nur? Dieser Gedanke schlich sich alle fünf Minuten in mein Gehirn. Ich versuchte, die aufkommende Panik mit den Entspannungsübungen zu unterdrücken, die mir Dr. Wright bei einem Nachfolgetermin empfohlen hatte: Tief durchatmen, beruhigende Gedanken, tief durchatmen, beruhigende Gedanken, tief durchatmen, beruhigende Gedanken. Dr. Wright redete wirklich eine Menge Schrott.
    Als es nur noch fünfzehn Minuten bis zum Auftritt waren, ging ich immer schneller in der Garderobe auf und ab und beschrieb dabei einen weiten Kreis: zwischen Couchtisch und Sofa hindurch, über den gepolsterten Hocker, hinter dem Flügel her, an der Wand mit den Spiegeln vorbei und wieder von vorn. Meine Beine zitterten, aber die Wiederholung hatte etwas merkwürdig Betäubendes. Plötzlich musste ich an die schwerfälligen Eisbären im Lincoln Park Zoo denken, die unablässig in ihrem Käfig ihre Runden drehten. Vielleicht hatten sie auch Probleme mit den Nerven.
    Wo blieb Diana bloß? Sie kam nie zu spät und zu spät zu einem Auftritt zu erscheinen war absolut undenkbar. Mein Bauch tat immer noch weh, weil ich mich übergeben hatte. Würde sie es mir anmerken? Ich sah in den Spiegel: beängstigend. Meine Haut hatte eine unheimlich grün-weißliche Färbung angenommen, sodass mein Bühnen-Makeup noch greller wirkte als sonst. Glänzend roter Lippenstift, grüner Lidschatten über blutunterlaufenen Augen – ich sah aus wie ein Zirkusclown mit Magenverstimmung. Ich hatte mein Hemd ausgezogen, bevor ich mich geschminkt hatte, undtrug nur Jeans und BH, was das abschreckende Bild komplettierte. Wie hatte Jeremy dieses Gesicht küssen können?
    Ich öffnete den Schrank und holte den Kleidersack heraus, in dem sich mein Ersatz befand. Ein dunkelblaues Kleid aus Organza mit einem Cœur-Dekolleté. Ich überlegte gerade, ob ich es anziehen oder doch lieber zurück ins Bad gehen sollte, um mich noch mal zu übergeben, als die Tür zur Garderobe aufflog.
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schrecklich der Verkehr war«, japste Diana, drehte sich um die eigene Achse, hängte den Kleidersack an den Haken der Tür und warf eine Tasche von Saks Fifth Avenue in einer einzigen atemlosen Bewegung auf das Sofa. »Ich hätte beinahe die Strumpfhose vergessen«, fügte sie hinzu und zog eine hauchdünne Bauch-weg-Strumpfhose aus ihrer Hand­tasche hervor.
    Schnell schnappte ich mir den Kleidersack, riss den Reißverschluss auf und war so in Eile, dass ich gar nicht mehr daran dachte, meine zitternden Hände zu verstecken. Das Kleid war genauso, wie ich es in Erinnerung hatte. Einfach und doch dramatisch, milchfarben, trägerlos, mit einer breiten blutroten Schärpe an der Taille. Ein Kleid, das die Blicke auf sich zog und sie dort hielt. Ich zog die Jeans aus, die Strumpfhose an und schlüpfte in das Kleid. Es saß perfekt.
    Ich sah noch mal in den Spiegel. Diesmal war das Bild weniger furchterregend. Das Kleid war atemberaubend. Meine Lippen und die Schärpe wirkten, als wären sie im gleichen Ton gefärbt worden und mein kränklicher Hautton war auf jeden Fall weniger auffällig.
    Hinter mir runzelte Dianas Spiegelbild die Stirn. Ich wandte mich schnell ab.
    Meine Finger. Ich musste aufhören zu

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