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Virulent

Virulent

Titel: Virulent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Sigler
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liebte.
    Er hielt vor dem Briefkasten der Jewells und steckte die Post für zwei Tage hinein. Er wollte schon wieder wegfahren, als er noch einmal anhielt, denn er sah, dass Bobby Jewell die lange, von Bäumen gesäumte Auffahrt herabkam. Bobby trug seine
kleine Tochter Chelsea auf dem Arm, die mit einem Brief wedelte. Was für ein hübsches Püppchen sie war. All diese blonden Locken. Wenn sie später einmal nur halb so scharf aussehen würde wie ihre Mutter, würde das Mädchen einige Herzen brechen, sobald sie auf die Highschool kam.
    »Hey Chelsea«, rief John. »Hast du einen Brief für mich?«
    »Ja, Sir, Herr Briefträger!«
    Etwa drei Meter vom Wagen entfernt setzte Bobby Chelsea ab. Sie rannte los, wobei sie den Brief hochhielt, als handle es sich um einen Gegenstand von größter Wichtigkeit. Kleine Kinder waren so süß; etwas so Gewöhnliches wie das Aufgeben eines Briefes konnte neu und aufregend für sie sein.
    »Hier ist er, Herr Briefträger!«
    John nahm den Brief wie etwas besonders Kostbares entgegen. »Vielen, vielen Dank, junge Dame.«
    Chelsea machte einen Knicks. John war völlig hingerissen.
    »Keine Ursache, Herr Briefträger. Mein Daddy will Ihnen etwas zeigen.«
    »Oh.« John sah auf. Bobby war näher gekommen und stand jetzt einfach nur da. John kannte Bobby aus der Softball-Liga im Sommer, aber verdammt, der Junge sah überhaupt nicht gut aus. Eingesunkene Augen, bleiche Haut. Er sah aus, als hätte er mindestens fünfzehn Pfund verloren.
    »Hi John«, sagte Bobby. »Ich muss dir etwas absolut Irres zeigen.«
    »Was denn?«
    Bobby zog den Reißverschluss seiner Jacke auf, griff hinein und zog einen rostigen verstellbaren Schraubenschlüssel heraus. »Das Ding klemmt wie verrückt, das glaubst du nicht.«
    John musterte den verstellbaren Schraubenschlüssel und sah dann Bobby an. Warum zum Teufel wollte er ihm einen
festgerosteten Schraubenschlüssel zeigen? Johns innere Alarmanlage ging los. Was war, wenn Bobby deshalb so grässlich aussah, weil er dieses fleischfressende Scheißzeug hatte?
    »Äh, Bobby, ich hab im Augenblick keine Zeit.«
    »Und warum, Herr Briefträger?«, sagte Chelsea.
    Automatisch sah John hinunter zu dem Mädchen. Schon als er es tat, wusste er, dass es ein Fehler war. Als er wieder aufsah, war der Schraubenschlüssel nichts als rostroter Nebel. Er zuckte zusammen, Sekundenbruchteile bevor der Schraubenschlüssel von links gegen seinen Kiefer krachte. Er rutschte nach rechts und stürzte von seinem Sitz in den Van. Er versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, doch seine Füße klemmten zwischen dem Gas- und dem Bremspedal fest. Die Zeit verwandelte sich in einen nebligen Morast, in dem man nur langsam vorwärtskam. Schon einen Augenblick bevor der metallische Aufschlag bis in alle Ewigkeit nachhallen würde, wusste er, dass der Schraubenschlüssel wieder auf ihn zukam.
    Sein Taser.
    Er tastete nach seiner Tasche, suchte nach der Waffe, die ihn retten konnte, doch es war zu spät.
    Das Zeitlupengefühl verschwand, als er den Schlag spürte, der sein linkes Ohr traf. Die Gehirnerschütterung ließ seinen Kopf vor Schmerzen explodieren. Der Van schien sich um ihn zu drehen. Wieder versuchte er aufzustehen, doch seine Arme und Beine fühlten sich so schwach an. Er spürte, wie ihn ein Gewicht zu Boden drückte, fühlte starke, schwielige Hände auf seiner Stirn und seinem Kiefer, die ihm den Mund aufdrückten.
    Er spürte, wie eine kleine, heiße, nasse Zunge in seinen Mund glitt.
    Und dann spürte er das Brennen.

    58
Applebee’s
    Perry Dawsey hätte nie gedacht, dass die Normalität so surreal wirken konnte.
    Oder so verdammt unbehaglich.
    Er saß in einem Applebee’s in Gaylord, Michigan, und wartete auf seinen Burger. An den Wänden hing Kitsch, und aus der Musikanlage erklang irgendein Mist aus den Top 40. Die Tische waren mit dicken Männern, dicken Frauen und dicken Kindern besetzt. Dew saß links von Perry. Perry gegenüber saß Claude Baumgartner. Baum trug keine Metallschiene mehr, aber seine Nase sah noch immer fürchterlich aus. Jens Milner, der noch immer ein blaues Auge hatte, saß Dew gegenüber.
    Mit Perrys hässlichen Schnitten im Gesicht sahen die vier aus, als kämen sie gerade aus einem Fight Club – einem Fight Club, aus dem Dew eindeutig als Sieger hervorgegangen war, denn er hatte nichts weiter als ein kleines Pflaster auf seinem Kopf.
    Baum und Milner saßen einfach nur da und starrten Perry an, ohne ein Wort zu sagen.
    Das Ganze war wieder

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