Virulent
Vorderseite einer mit Epoxyd bedecken Spüle einrastete. Die sechzig Zentimeter breite Bahre ließ rechts und links einen Freiraum von knapp einem Meter und damit genügend Platz, um dort zu arbeiten. Er drehte an einem Knopf am Fuß der Bahre, wodurch sich dieses Ende zweieinhalb Zentimeter hob. Die leichte Neigung stellte sicher, dass alle Flüssigkeiten in die Rinnen an der Seite der Bahre und dann in die Spüle fließen würden, die mit dem Entsorgungssystem verbunden war.
»Okay, Jungs, dann wollen wir uns mal anschließen«, sagte Margaret. Vier aufgerollte gelbe Schläuche hingen von der Decke. Sie griff nach oben, zog einen herunter und reichte ihn Marcus. Er verband den Schlauch mit der Rückseite ihres Helmes. Sie hörte ein kurzes Zischen, als die Druckluft in ihren Anzug strömte und ihn noch ein wenig mehr aufblähte. Auf ihrem Helmdisplay schrumpfte die Zeitangabe für die zur Verfügung stehende Luft auf ein dünnes, geisterhaftes Leuchten zusammen, während das runde Logo, das die externe Sauerstoffversorgung anzeigte, strahlend zum Leben erwachte. Auch die Anzeige für die drahtlose Kommunikation erlosch, als das Licht für die Netzverbindung aufleuchtete.
»Holen wir ihn aus dem Sack«, sagte Margaret.
Nachdem Gitsham und Marcus ihre eigenen Helme mit den Schläuchen verbunden hatten, öffneten sie den Reißverschluss des äußeren Leichensacks und streiften ihn ab. Marcus schob ihn in einen mit dem orangerot leuchtenden Zeichen für gefährliche biologische Abfälle gekennzeichneten
Müllschlucker. Dann wiederholten sie das Ganze mit dem zweiten, inneren Sack und legten die Leiche des Kindes auf die Bahre.
Margaret konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Das Milwaukee-Bucks-Shirt des Jungen war über seine Ellbogen gerutscht. Dawseys Tritt hatte wenigstens acht seiner Rippen zerschmettert und nach innen gedrückt. Sie sahen aus wie ein Haufen Tonscherben. Die Wirbelsäule des Kindes war rechts auf Höhe des achten Brustwirbels gebrochen, wodurch der Körper des Jungen fast in einem Winkel von neunzig Grad zur Seite geknickt worden war. Das Gesicht des Jungen war in einer Maske reiner Wut erstarrt, in einem zähnefletschenden Knurren mit weit aufgerissenen Augen, das selbst im Tod nichts als absoluten Hass ausdrückte. Sie hatte solche Gesichter schon zu oft gesehen. Die Gesichter der Infizierten.
»Gitsh, schaff sofort eine Probe unter das Mikroskop. Ich will sehen, wie weit die Verwesung fortgeschritten ist. Bereite die Injektionen vor. Marcus, bring mir den Prototyp für den Schnelltest.«
»Ja Ma’am«, sagte Marcus.
»Aufnahme einschalten«, sagte Margaret. In der oberen rechten Ecke ihres Helmdisplays leuchtete ein grünes Licht auf. Es zeigte ihr, dass alles, was sie sagte und sah, im Kontrollraum aufgenommen wurde.
»Ich bin online, Margaret«, erklang Clarences Stimme in ihrem Ohrhörer. »Ich habe die anderen Leichen im zweiten Trailer. Amos kümmert sich um das Baby, aber es scheint in Ordnung zu sein. Hast du den Test mit dem Prototypen schon gemacht?«
»Bleib dran, mache ich gerade.« Sie streckte die Hand aus, und Marcus gab ihr ein kleines, weißes Elektrogerät von
der Größe zweier aufeinanderstehender Zigarettenpackungen. Dann nahm er einen zehn Zentimeter langen Plastikstift aus einer verschweißten Folie, dessen eines Ende mit einem feuchten Gewebe von einem Zentimeter Länge bedeckt war. Sie streifte mit dem von dem Gewebe bedeckten Ende über die Gaumenlinie des Jungen und drückte es gegen die Innenseite seiner Wange.
Die Dreiecke ernährten sich von dem Zucker, der im menschlichen Körper vorhanden war, und verarbeiteten ihn zu Cellulose, einem Material, das man ansonsten nur in Pflanzen fand. Die Cellulose bildete das Baumaterial, das den Dreiecken erlaubte, sich zu den Kreaturen zu entwickeln, die schließlich aus dem menschlichen Körper schlüpfen würden. Margaret vermutete, dass dabei ein Teil der Cellulose in den Blutkreislauf und von dort aus in andere Körperflüssigkeiten wie etwa Speichel gelangen würde.
Der Prototyp hatte nicht viele Knöpfe. Sein wichtigstes Merkmal waren drei quadratische Lämpchen am oberen Ende; sie waren orangefarben, grün und rot. Sie schob den Plastikstift in die dafür vorgesehene Öffnung des Geräts, das man in einer Hand halten konnte. Das orangefarbene Licht leuchtete auf und zeigte an, dass der Test durchgeführt wurde. Die nächste Anzeige wäre entweder ein grünes Licht, wenn keine Spur von Cellulose vorhanden
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