Virus (German Edition)
warnen.
Einer der beiden Aufzüge stand
offen und eine halbe Minute später verließen sie ihn in der dritten Etage
wieder, der Etage, auf der sich Marcel Trébors Zimmer befand. Als sie in
Trébors Flur einbogen, sah Debbie einen Mann, der etwa auf halbem Weg den Flur
hinunter ein Zimmer auf der linken Seite verließ und anschließend in
entgegengesetzter Richtung von ihnen wegging.
Für den Bruchteil einer Sekunde
glaubte Debbie, einen Geist gesehen zu haben, doch es war völlig unmöglich. Der
Mann trug einen Kapuzenpulli, hatte die Kapuze über den Kopf gezogen, war
mindestens dreißig Meter entfernt, und sie sah ihn nur von hinten. Sie musste
ihn verwechseln, es war ausgeschlossen, dass er es war. Lediglich Statur
und Gang hatten sie kurz an ihn erinnert.
War er aus Trébors Zimmer
gekommen? Es befand sich in etwa auf jener Höhe des Flurs und ebenfalls auf der
linken Seite. Sie joggten den Flur hinunter, denn jede Sekunde konnte kostbar
sein. Im Moment wussten sie weder, wo sich der Virologe aufhielt, noch wo der
Mörder war.
Plötzlich, offenbar weil er die
rennenden Schritte hinter sich wahrnahm, verfiel auch der Mann im Kapuzenpulli
in einen Laufschritt. War er wirklich aus Trébors Zimmer gekommen? War das der
Mörder?
Noch bevor Debbie die Situation
komplett registriert hatte, hatte Holger sein Joggen in einen vollen Sprint
ausgebaut und setzte dem Kapuzenmann hinterher.
„Schließ dich in deinem Zimmer
ein und lass niemanden rein”, brüllte er über seine Schulter zurück, als er
bereits an Trébors Zimmer vorbei war.
Gute Idee! dachte Debbie. Trébor war
wahrscheinlich sowieso nicht mehr zu helfen.
–––––
Holger setzte dem Kapuzenmann
nach. Zum Glück waren die Flure hier sehr lang, so dass er den Mann auch dann
wiederfand, wenn dieser lange vor ihm um eine Ecke gebogen war. Jedes Stockwerk
verfügte über vier miteinander verbundene Flure, die ein Quadrat bildeten. Der
Kapuzenmann würde entweder in eines der Zimmer flüchten, oder den Aufzug
benutzen müssen, wenn er nicht vorhatte, ewig im Kreis zu laufen. Benutzte er einen
Aufzug, so würde ihm das zwar einen Vorsprung verschaffen, doch wenigstens
würde Holger an der Digitalanzeige ablesen können, in welchem Stockwerk er
ausstieg.
Plötzlich sah Holger ihn ins
Treppenhaus flüchten. Natürlich, das Treppenhaus. Holger hatte nicht daran
gedacht, weil es normalerweise von niemandem genutzt wurde. Es war eine
Brandschutzmaßnahme und diente ausschließlich als Fluchtweg. Als ebensolchen
nutzte der Kapuzenmann es nun auch. Nicht dumm, denn hier gab es mit Sicherheit
bessere Möglichkeiten, sich den Blicken des Verfolgers zu entziehen, als in den
langen Fluren.
Genau so war es. Als Holger die
Tür zum Treppenhaus aufriss, war von dem Mann nichts mehr zu sehen. Er
verharrte und lauschte. Plötzlich hörte er über sich das sanfte Schließen einer
pneumatisch gedämpften Tür. Es war höchstens zwei Stockwerke über ihm gewesen,
wahrscheinlich sogar nur eins. Er würde die Flure absuchen müssen. Sein Vorteil
aber war, dass der Mann offenbar nicht komplett aus dem Hotel zu fliehen
gedachte, sonst wäre er nach unten Richtung Lobby gerannt. Wahrscheinlich
wollte er keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Es war noch zu früh für ihn,
aufzufliegen. Wenn es sich um den Mörder handelte, dann hatte er noch vier
Morde vor sich – wenn er Trébor schon erledigt hatte noch drei. Er würde sich
also in dem Hotel verstecken. Das gab Holger trotz des Vorsprungs, den der
Kapuzenmann hatte, zumindest eine gewisse Chance, ihn zu finden.
Eine Etage darüber verließ Holger
das Treppenhaus wieder und machte sich daran, die Flure abzusuchen. Er joggte mit
eher verhaltenem Tempo, um sicher zu gehen, dass er nichts übersah. An den
Flurkreuzungen befanden sich meist größere Anpflanzungen, hinter die Holger
akribische Blicke warf. Bislang allerdings noch ohne Erfolg. Dann sah er zu
seiner Linken eine Tür ohne Zimmernummer. Was mochte das sein? Eine
Besenkammer? Ein Wäscheraum? Er drückte die Klinke. Die Tür war nicht
verschlossen.
–––––
Der Mann im Kapuzenpulli wischte
sich den Schweiß von der Stirn. Bislang war alles so glatt gegangen. Trébor
hatte ihm problemlos Zutritt zu seinem Zimmer gewährt. Wieso auch nicht,
immerhin waren sie alte Studienfreunde gewesen. Die K.O.-Tropfen in das Bier
seines Freundes zu träufeln hatte ihn ebenfalls nicht vor Probleme gestellt. Zu
nervös hatte Trébor nach seinem Aschenbecher
Weitere Kostenlose Bücher