Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
Vom Netzwerk:
der Polizeidirektion.”
    „Sollen wir auf Frau Herforth
warten?” fragte einer der Beamten.
    „Nein”, antwortete Wegmann.
„Sperren Sie sie sofort weg. Serienkiller sind unberechenbar. Ich werde mich
später um sie kümmern.”
    Mit Genugtuung blickte er den
Beamten hinterher, als sie die beiden Wichtigtuer abführten. Ob sie wirklich
die Mörder waren? Schwer zu sagen, aber wahrscheinlich eher nicht. Doch das war
im Moment nicht wichtig. Wichtig war, dass Ashcroft und Petersen ihm nicht mehr
in die Quere kommen konnten. Sie würden in ihrer Zelle verschimmeln.

55.
    „Home, sweet home” , sagte Debbie mit
Sarkasmus in der Stimme, als sie und Holger zum zweiten Mal innerhalb weniger
Stunden die gleiche Zelle in der Polizeidirektion Rostock betraten. Der Beamte,
der sie hineingeführt hatte, schloss die schwere Eisentür hinter ihnen, und
Debbie hörte das Rasseln des Schlüssels im Schloss. Beide nahmen schnell wieder
ihre angestammten Positionen ein, Debbie auf der Bank liegend und Holger auf
dem Boden sitzend, den Rücken gegen die Wand und den Blick auf seine Füße
gerichtet.
    Die ganze Fahrt von Petersdamm
nach Rostock über hatten sie kein Wort gesprochen. Zu groß war der Schock über
das Bild, das Marcel dargeboten hatte, und über Wegmanns haltlose
Anschuldigungen im Anschluss. Ob Holgers Freund sie noch einmal aus ihrer
misslichen Lage würde befreien können? Schwer vorstellbar nach dem Ärger, den
er sich beim letzten Mal mit Wegmann eingehandelt hatte.
    Noch drei Morde blieben also
übrig und eines der Opfer sollte Debbie sein. Nachdem sie Trébor korrekt
vorausgesagt hatten, war sie sich noch sicherer als zuvor, dass ihre
angenommene Systematik korrekt war. Sie mussten nur eine Kleinigkeit übersehen
haben – eine Kleinigkeit von exakt zwei Personen. Diese musste der Mörder auf eine
Art auswählen, die sich ihnen bislang zwar noch nicht erschloss, die sich
trotzdem aber noch mit ihrem Algorithmus vereinen ließ.
    „Glaubst du, er wird durchkommen?”
fragte sie Holger nach einer Weile des Schweigens. Er blickte zu ihr herüber.
„Ich meine Marcel”, fügte sie an. „Glaubst du, er wird es schaffen?”
    „Nein.”
    „Wieso nicht?” Die resignierte
Bestimmtheit, mit der Holger geantwortet hatte, überraschte sie. „Selbst der
Notarzt konnte es nicht sagen.”
    „Trébor ist nicht vor seinem
Mörder geflüchtet”, antwortete Holger. „Und wir haben den Mörder auch nicht bei
seiner Tat gestört. Er hat aus freien Stücken Trébors Zimmer verlassen, bevor
wir dort aufgetaucht sind. Das sagt mir, dass er seine Tat vollendet hat, dass
er Trébor eine Dosis verabreicht hat, die in jedem Falle letal sein muss.
Vielleicht hatte er sogar gehofft, Trébor würde in die Lobby flüchten, denn
dort hatte er definitiv den größeren Auftritt, als es ein stiller Tod auf dem Zimmer
gewesen wäre.”
    Debbie musste Holgers Worte kurz
verdauen. Seine Logik war bestechend, doch sie wollte einfach nicht wahrhaben,
dass all ihre Hilfsversuche umsonst waren.
    „Der Mörder kann unmöglich
geplant haben, dass Trébor in die Lobby geht”, wandte sie ein. „Wie soll er
planen, was sein Opfer tut?”
    „Er könnte zum Beispiel jegliche
Kommunikationsmöglichkeiten Trébors aus seinem Zimmer heraus unterbunden haben”,
erwiderte Holger. „Er könnte den Laptop und das Handy zerstört und die
Telefonleitung durchgeschnitten haben – schon musste Trébor, um Hilfe zu
suchen, sein Zimmer verlassen. Und die Lobby ist der Ort, wo die
Wahrscheinlichkeit, Hilfe zu finden, am größten ist.”
    Auch das machte Sinn.
Wahrscheinlich hatte Holger Recht und Marcel war nicht zu helfen. Vielleicht
war er schon tot, vielleicht noch nicht, aber angesichts der Perfektion, mit
der der Mörder bislang vorgegangen war, konnte Debbie sich nur schwer
vorstellen, dass er diesmal plötzlich gepatzt hatte. Mit einer Sache aber
konnte der Mörder nicht gerechnet haben.
    „Allerdings wussten wir, dass es
sich um eine Wermutvergiftung handelt, und so konnte der Notarzt seine
Erstversorgung ganz gezielt danach ausrichten. Das kann der Killer unmöglich
mit berechnet haben”, schöpfte sie ein letztes Mal Hoffnung.
    „Das stimmt natürlich”, erwiderte
Holger. „Hoffen wir das Beste.”
    Damit war das Thema beendet. Debbie
begann wieder, ihren eigenen Gedanken nachzuhängen, und Holger schien das
Gleiche zu tun. Es war der zweite grässliche Tod innerhalb von kaum mehr als
vierundzwanzig Stunden, den sie hatte mit ansehen

Weitere Kostenlose Bücher