Virus (German Edition)
Ashcroft sofort mit der Erstversorgung begonnen, und Herr Petersen hat mir
zugerufen, ich solle einen Notarzt rufen.” Er machte eine Pause und überlegte.
„Ist das alles?” fragte Wegmann.
„Ach ja! Da fällt mir noch was
ein”, der Rezeptionist schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Herr
Petersen trug mir auf, der Notrufzentrale zu sagen, es gebe ein Opfer mit
Wermutvergiftung.”
„Er hat was?” Die Sache wurde
wirklich langsam interessant für Wegmann.
„Er hat gesagt, es gebe ein Opfer
mit Wermutvergiftung”, erwiderte der Rezeptionist. „Und als der Notarzt kam,
hat er noch mit ihm darüber diskutiert. Der Arzt wollte ihm nämlich erst nicht
glauben.”
Woher hatte Petersen wissen
können, dass es sich um eine Wermutvergiftung handelte? Nur der Mörder konnte
das wissen. Andererseits, wenn er und Ashcroft die Mörder waren, warum hatten
sie dann einen Notarzt rufen lassen? Natürlich mussten sie davon ausgehen, dass
jemand aus der Lobby sowieso den Notruf alarmieren würde. Warum hatten sie sich
bereits am Mittag nach Trébors Zimmernummer erkundigt? Warum waren sie
verschwitzt gewesen? War Trébor ihnen entwischt, bevor sie ihr Werk vollenden
konnten? Wegmann wusste es nicht, doch er wusste, dass es höchste Zeit war,
sich mit den beiden zu unterhalten. Er blickte sich um und fand sie in einer
Couchecke.
„Ist es nicht ein Zufall, wenn
man bei Mordermittlungen immer wieder auf die gleichen Namen und Gesichter
stößt?” fragte er in einem sarkastischen Tonfall, als er sich ihnen näherte.
„Ist es nicht ein Zufall, wenn
man bei Ermittlungen immer wieder auf die gleiche Inkompetenz stößt?” gab
Ashcroft zurück. Für einen Moment glaubte Wegmann, sich verhört zu haben.
„Ihnen ist hoffentlich klar, dass
Sie sich diesen Mord auf Ihre Fahne schreiben können”, fügte Ashcroft an, bevor
Wegmann sich ganz von der ersten Dreistigkeit erholt hatte.
„Was?” brachte er hervor. Er war
wie vor den Kopf gestoßen. Noch nie hatte eine Mordverdächtige sich erlaubt, so
mit ihm zu reden. Wo war der Respekt? Der Respekt vor seiner Stellung, seiner
Macht?
„Wir wussten, dass Trébor ein
mögliches Opfer war und wir wussten, dass das nächste Opfer durch Wermut
sterben sollte”, fuhr Ashcroft fort. Sie schien sich richtig in Rage zu reden.
„Aber Sie wollten uns ja nicht zuhören. Wenn Sie mal kurz ihr übergroßes Ego
abgelegt hätten, anstatt uns einzusperren, würde Marcel sich jetzt nicht in
Lebensgefahr befinden.”
Sie funkelte Wegmann an. Noch
immer war er sprachlos, aber er würde sich das nicht gefallen lassen. Nicht von
dieser Schmalspurermittlerin, die noch dazu verdächtig war. Gerade wollte er
etwas erwidern, als Ashcroft schon wieder ansetzte.
„Außerdem haben wir den Mörder
gesehen. Er verließ Trébors Zimmer genau in dem Moment, als wir dort ankamen.
Hätten Sie uns zugehört und ein paar Männer mitgeschickt, wäre das Problem
jetzt wahrscheinlich schon gelöst.”
„Das reicht”, donnerte Wegmann
und er spürte wieder, wie die Schlagader in seinem Hals pulsierte. Er würde
sich weder für Trébors Zustand noch für die Nichtergreifung des Täters
verantwortlich machen lassen. Und schon gar nicht von dieser unsäglichen
Amerikanerin. „Ich werde mir das nicht länger mit anhören. Sie beide verfügen
über Informationen, die nur der Mörder kennen kann. Sie haben sich nach der
Zimmernummer des letzten Opfers erkundigt. Sie kannten jedes der bisherigen Opfer.
Sie sind beobachtet worden, wie sie auf verdächtige Weise durch das Hotel
rannten. Die Indizien reichen mir aus. Ich verhafte sie beide wegen
Mordverdachts.”
Er hatte sich auf ihre Gesichter
gefreut, doch was er sah, war besser als alles, was er erwartet hatte. Eine
Mischung aus Ungläubigkeit und Entsetzen lag in ihren Mienen.
„Seit dem ersten Mord haben Sie
versucht, meine Ermittlungen zu torpedieren. Auch hierfür kann ich nur das eine
Motiv sehen: Sie sind die Mörder”, fügte er an, während er Handschellen um ihre
Unterarme schloss.
„Wir haben was?” fragte Ashcroft.
„Sie wollten noch nicht einmal wegen Mordes ermitteln. Sie meinten, es wäre ein
Unfall gewesen. Sie haben den Notarzt erpresst, den natürlichen Tod
anzukreuzen. Ich habe versucht, sie zu Mordermittlungen zu überreden. Und das
nennen Sie, Ihre Ermittlungen torpedieren?”
„Abführen”, sagte Wegmann zu zwei
uniformierten Beamten, die er herbei gewunken hatte. „Bringen Sie sie sofort
zurück in die Zelle in
Weitere Kostenlose Bücher