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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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verführt, bei dem
sie zweimal hatte hingucken müssen, bevor sie es hatte glauben können, und in
Nullkommanichts war sie zu Deutschlands berühmtester Skandalreporterin geworden.
    Und jetzt stand sie hier und
hörte sich die inhaltslosen Worte eines inkompetenten Polizisten an, der soeben
seine freiwillige Nichtinformation beendete und den Reportern die Möglichkeit
gab, Fragen zu stellen, die er dann mit weiterer Nichtinformation würde
beantworten können. Die Fragen, die ihre Kollegen stellten, wirkten gelangweilt
und zeugten davon, dass sie ebenso unzufrieden mit Wegmanns Einlassungen waren
wie Tanja.
    Dann klingelte ihr Handy. Sie
nahm ab und während des kurzen Gesprächs schlug ihre tiefe Wut plötzlich in
helle Aufregung um. Sie riss den Arm in die Höhe, um zu signalisieren, dass sie
eine Frage hatte.
    „Zoom während meiner Frage ganz
nah auf Wegmann”, raunte sie ihrem Kameramann zu. „Mich brauchst du nicht. Sieh
nur zu, dass du seine Reaktion auf meine Frage mitbekommst.”
    Noch drei Journalisten durften
ihre Fragen vor Tanja stellen, dann war sie an der Reihe.
    „Tanja Franke vom Magazin ‚Eklat’”,
stellte sie sich vor. „Herr Wegmann, ich weiß, dass sie nichts zu laufenden
Ermittlungen sagen wollen, aber gibt es trotzdem irgendwelche Informationen,
die Sie uns schon jetzt über den dritten Mordanschlag geben können?”
    Sie verharrte einen Moment, um
Wegmanns ungläubigem Gesichtsausdruck Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten,
bevor sie fortfuhr. „Ich spreche von dem Mordanschlag, der vor wenigen Minuten
im Hotel ‚Seemöwe’ verübt wurde.”
    Natürlich wusste Tanja, dass
Wegmann unmöglich bereits von dem Mord wissen konnte. Wenn er davon gewusst
hätte, würde er wohl kaum hier stehen und seelenruhig eine Pressekonferenz
geben. Und tatsächlich. Wegmann war absolut und völlig sprachlos. Hilfesuchend
blickte er in die Menge, sah sich nach den beiden uniformierten Beamten um, die
hinter ihm die Tür bewachten, dann schien er zu merken, wie lächerlich er sich
machte, denn er räusperte sich – offenbar um Zeit zu gewinnen. Doch Tanja hatte
ihn am Haken und sie hatte nicht die Absicht, ihn wieder loszulassen.
    „Was können Sie uns zu dem Opfer sagen?”
bohrte sie den Dolch tiefer in die Wunde hinein. „Ist der Mord Teil der Serie,
mit der wir es hier bei diesem Gipfel zu tun haben? Wieso ist die Polizei nicht
in der Lage, die Serie zu stoppen? Wieso sind Sie nicht am Tatort?”
    Erneut gab Tanja Wegmann Zeit,
seine Unbeholfenheit unter Beweis zu stellen, gab ihm Zeit, sich peinlich oft
zu räuspern, gab ihm Zeit, noch mehr Blut in seinen Kopf zu pumpen, bevor sie
zu ihrem finalen Schlag ansetzte.
    „Herr Wegmann”, sagte sie, „Sie
können uns hier nicht das Gefühl vermitteln, die Lage in irgendeiner Weise im
Griff zu haben. Wollen Sie dazu Stellung beziehen?”
    Wegmanns kleine Augen zuckten wie
wild umher. Er war völlig verloren. Doch schließlich nahte eine Erlösung für
ihn. Ein uniformierter Beamter trat von hinten an ihn heran und flüsterte ihm
etwas ins Ohr.
    Schade! dachte Tanja. Gerade
fing es an, Spaß zu machen.
    Ohne weiteren Kommentar drehte
Wegmann sich um und ging in das Gebäude. Der Uniformierte trat an die
Mikrofone.
    „Herr Wegmann wird, wie er
bereits sagte, die laufenden Ermittlungen nicht kommentieren”, sagte er. „Wir
bitten um ihr Verständnis.” Dann folgte er dem Hauptkommissar.

54.
    Zwanzig Minuten später traf eine
ganze Kolonne von zivilen und nicht-zivilen Fahrzeugen der Polizei am Hotel
‚Seemöwe’ ein. Die eingeschalteten Martinshörner hatten die Fahrt von Rostock
signifikant verkürzt. Wegmann hatte im Präsidium einen an Tobsucht grenzenden
Anfall bekommen, warum eine dumme kleine Boulevard-Reporterin vor ihm über den
Mordanschlag informiert worden sei. Allerdings hatte sich niemand etwas zu
Schulden kommen lassen. Die Notrufzentrale war von einer Lebensmittelvergiftung
ausgegangen und hatte dementsprechend die Polizei nicht umgehend alarmiert. Erst
der Notarzt hatte dies schließlich getan, nachdem er festgestellt hatte, dass
ein Dritter mit mutmaßlicher Tötungsabsicht das Opfer vergiftet haben musste.
    Die Frage, warum die Polizei so
spät informiert worden war, war also geklärt. Offen aber blieb, woher die
Reporterin so früh Kenntnis von dem Anschlag erhalten hatte. Wegmann wäre jede
Wette eingegangen, dass Ashcroft dafür verantwortlich war. Sie würde er sich
vorknöpfen. Es fiel ihm schwer, eine Rangfolge zu

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