Virus (German Edition)
woher sein neugewonnenes Vertrauen in Wegmann rührte.
„Selbstverständlich”, erwiderte
sie. „Der Verdächtige verfügt allerdings über Informationen, die nicht in den
Medien kolportiert wurden. Er kennt Details, von denen eigentlich – so scheint
es – nur der Mörder wissen kann.”
„Eigentlich? So scheint es?”
fragte Wegmann mit Belustigung in der Stimme.
„Ich kann einfach nicht glauben,
dass dieser Junge – denn das ist er fast noch – diese perfiden und
bestialischen Morde geplant hat.”
„Und der Verdächtige kommt aus
den Reihen der Globalisierungsgegner?” fragte Wegmann.
„Exakt”, erwiderte Herforth,
während sie sich fragte, woher Wegmann das wusste. Sie hatte es bislang nicht
erwähnt. „Es handelt sich übrigens um den Rädelsführer, der die gestrigen
Krawalle ausgelöst hat, in deren Zug Sie sich Ihr Auto haben anzünden lassen.”
„Ich hätte…”, brauste Wegmann
auf, doch auf eine beruhigende Handgeste Brunckes hin brach er ab und schwieg.
Herforth hatte Mühe, ihr triumphierendes Lächeln zu unterdrücken.
„Und wie bitteschön passt ein
Globalisierungsgegner in die Apokalypse-Theorie?” fragte Wegmann mit nur in
Ansätzen unterdrücktem Zorn. Erneut wunderte sich Herforth über Wegmanns
Informationsquelle. Woher wusste er von der Apokalypse-Theorie?
„Der Verdächtige gibt an, die
Mordarten zufällig ausgewählt zu haben”, erwiderte Herforth. „Es gibt für uns
natürlich keine Möglichkeit, das zu falsifizieren. Es könnte Zufall sein, es
könnte sein, dass er Spielchen mit uns spielt, oder aber es könnte sein, dass
er nichts von den Zusammenhängen der Morde weiß, weil er nicht der Täter ist.
Wir wissen es nicht.”
Ein längeres Schweigen trat ein.
Offenbar versuchten sich sowohl Bruncke als auch Wegmann an eigenen Ideen.
„Gibt es religiöse Motivationen
für Globalisierungskritik?” fragte Bruncke schließlich.
„Bitte was?”
„Steht in der Bibel irgendwo,
dass Globalisierung verboten ist?” konkretisierte der BKA-Chef. „Könnte der Verdächtige
womöglich aufgrund seiner Religiosität zum Globalisierungsgegner geworden sein?”
Herforth dachte einen Moment
nach. „Ich wüsste jetzt keine konkrete Stelle in der Bibel, dafür müssten wir
Herrn Petersen fragen. Allerdings kann ich mir kaum vorstellen, dass die Bibel
das Ausnutzen armer Staaten durch die reichen gutheißen würde.”
„War auch nur so ein Gedanke”,
brummte Bruncke und kratzte sich am Kopf. „Wie wollen Sie jetzt weiter
vorgehen?”
„Wir werden weiter ermitteln. Wir
werden Hausmann – das ist der Name des Verdächtigen – weiter verhören,
gleichzeitig aber die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der wahre Mörder
weiter frei herumläuft.”
„Gut”, sagte Bruncke mit einem
Kopfnicken. Offenbar war das Thema für ihn damit fürs Erste abgeschlossen. „Kommen
wir nun zu den Erkenntnissen, die Hauptkommissar Wegmann ermittelt hat. Herr
Wegmann?” Bruncke nickte Wegmann aufmunternd zu. Herforth spürte Anspannung in
sich aufsteigen. Was für Erkenntnisse konnten das sein, die Bruncke so
beeindruckt hatten?
„In Professor Dickinsons Blut ist
ein Virus gefunden worden”, begann Wegmann mit einer Art stolzer Arroganz in
seiner Stimme. „Es handelt sich um einen überaus gefährlichen und mutierten
SARS-Erreger.”
Drei Minuten später war Herforth
auf dem neuesten Stand. Der Mörder drohte mit einem Killervirus und der Gipfel
würde nicht abgebrochen werden. Eine Million Fragen rasten ihr durch den Kopf.
Unterstützte das ihre Theorie von einem zweiten Mörder? Oder sprach es
womöglich gänzlich gegen Hausmanns Täterschaft? Woher hatte Wegmann seine
Informationen? Wieso hatte man sie nicht über den Virusfund in Kenntnis
gesetzt? Konnte der Virus vielleicht sogar eine Erfindung Wegmanns sein, um
Bruncke zu beeindrucken?
Diese Fragen und unzählige mehr
erzeugten ein förmliches Synapsengewitter in Herforths Hirn. Sie konnte kaum
mehr klar denken.
„So viel hierzu”, unterbrach
Bruncke abrupt ihre Gedanken und erhob sich vom Tisch. „Ich möchte Sie nicht
länger von Ihren Ermittlungen fernhalten. Immerhin haben Sie nicht mehr nur
einen Mörder zu schnappen, sondern nun auch einen Virus.”
Als er die Tür zum Flur erreicht
hatte, drehte Bruncke sich noch einmal um. „Ich weiß, dass die letzten dreißig
Stunden stressig für Sie waren und dass die neue Entwicklung des Falls alles
andere als erfreulich ist. Aber dafür müssen Sie nun nicht mehr
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