Virus (German Edition)
außer Atem vom Schubsen und Stoßen durch die
Reporterschar.
„Frau Herforth ist in einem
Meeting mit dem Chef des Bundeskriminalamts und Hauptkommissar Wegmann”, sagte
der Beamte mit wichtigem Tonfall. „Außerdem wüsste ich nicht, was Sie mit ihr zu besprechen haben könnten.”
„Das dürfte daran liegen, dass es
nicht viel gibt, was Sie wüssten”, antwortete Holger und biss sich sogleich auf
die Lippe.
Verdammt! Es war mit Sicherheit nicht
klug, den komplexbeladenen kleinen Mann zu provozieren, doch mit seiner
wichtigtuerischen Art lud er einfach dazu ein.
„Was war das?” Erneut nahm das
Gesicht des Beamten eine tomatige Färbung an. Holger atmete tief durch.
„Ich weiß, wer der Mörder ist”,
sagte er dann mit ruhiger Stimme und dem Versuch, sachlich zu klingen.
„Natürlich wissen Sie das.” Hohn
stand im Gesicht des Polizisten. „Das komplette BKA ist ratlos, aber Sie wissen, wer der Mörder ist.”
„Korrekt”, entgegnete Holger. Die
ernste Reaktion auf seinen Hohn schien den Beamten leicht zu verunsichern.
„Ich weiß, dass Hauptkommissar
Wegmann Ihnen kein Wort glaubt. Also glaube ich Ihnen auch keines”, sagte er
dann.
„Deshalb möchte ich ja auch mit
Frau Herforth sprechen.”
„Die hat aber keine Zeit für Sie.”
„Sie hat keine Zeit zu erfahren,
wer der Mörder ist?”
„Nein.”
Holger blickte sich um und
spielte kurz mit dem Gedanken, die Reporter erneut zu instrumentalisieren. Doch
dann erinnerte er sich an die Folgen seines letzten Versuchs und verwarf die Idee
schnell wieder. Es war hoffnungslos. Offenbar hatte es sich bei der Rostocker
Kripo noch nicht herumgesprochen, dass er inzwischen in Herforths Gunst stand. Warum
versuchte er es nur immer wieder hier? Warum war er nicht gleich zur CIA
gegangen? Weil Drivers Methoden ihm missfielen? Bagatellen im Vergleich zur
Ergreifung des Killers.
„Ich bin schwer beeindruckt von
Ihrer Fähigkeit, in jeder Situation das Falsche zu tun”, rief Holger dem
Polizisten zu, während er schon wieder die Treppen vor dem Eingang
hinunterlief. „Ist das Instinkt oder Talent?”
Erneut pflügte er sich durch das
Heer der Reporter. Mühsam kämpfte er sich zu seinem Golf zurück und raste
zurück Richtung Petersdamm. Die Fahrt würde erneut über zwanzig Minuten dauern.
Eine Dreiviertelstunde hatte er nutzlos verschenkt, weil er sich entschieden
hatte, die deutsche Polizei anstelle der CIA aufzusuchen.
Hauptkommissar Wegmann
glaubt Ihnen kein Wort, hatte der Polizist gesagt. Hatte die Aussage vielleicht eine weitreichendere
Bedeutung, als Holger zunächst angenommen hatte? Er hatte Wegmann nie erwähnt,
lediglich Herforth hatte er sprechen wollen, und trotzdem hatte der Polizist
auf ihn verwiesen. Gab es vielleicht einen Interessenkonflikt zwischen der
Polizei und dem BKA? Wenn interne Scharmützel den deutschen Ermittlungsapparat
lahmlegten, war die CIA sowieso die bessere Adresse.
Die Kontrolle an der Durchfahrt
zum eingezäunten Bereich hatte das Potenzial, Holger in den Wahnsinn zu treiben.
Waren die Beamten – sensibilisiert durch die Morde – noch sorgfältiger
geworden, oder kam es ihm ob seiner Eile nur so vor? Nach einer gefühlten
Ewigkeit schließlich ließen sie ihn passieren. Zehn Minuten später befand er
sich in der Kommandozentrale der CIA im Hotel ‚Seeadler’.
Auch die Amerikaner hatten ihn nicht
ganz ohne Nachfragen durchgewunken, doch sie hatten sich immerhin bei Driver
erkundigt, ob er Holger sprechen wolle, und dieser hatte ihn persönlich an der
Tür abgeholt und in die mit Technik vollgestopften Räumlichkeiten geführt.
„Was führt Sie zu mir”, hörte
Holger Driver von weit weg fragen, ohne es wirklich zu registrieren. Für den
Moment war er nicht in der Lage, sprachliche Reize wahrzunehmen. Mit offenem
Mund stand er da und blickte fasziniert auf die Anhäufung von Technik, die der
Geheimdienst hier aufgefahren hatte.
Was für ein Aufwand für
einen Gipfel von vier Tagen! fuhr es ihm durch den Kopf.
„Herr Petersen?” Langsam glitt
Holger in die Realität zurück und er blickte Driver an.
„Bitte was?”
„Was Sie zu mir führt.”
Plötzlich war alles wieder da.
Der Mörder. Er musste Driver erzählen, wer der Mörder war. Nein, er konnte es
Driver nicht einfach erzählen, er musste es ihm verständlich machen. Ansonsten
würde es völlig willkürlich und somit absurd klingen. Zumal sein Mörder für den
letzten Mord ein absolut wasserdichtes Alibi hatte.
„Ich weiß, wer
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