Virus (German Edition)
schwer damit leben, mitten in den wichtigen
Mordermittlungen Zeit und Personal auf ihren persönlichen Kampf zu
verschwenden, doch immerhin hatte sie diesen Krieg nicht erklärt. Wegmann hatte
ihn gewollt und er sollte ihn bekommen.
Sie war der Überzeugung, dass der
Kommissar nicht alleine kämpfte, sondern auch seine Leute aufhetzte, ihr
Informationen vorzuenthalten und sie zu schneiden, und so hatte sie
beschlossen, ebenfalls ein wenig Verstärkung anzufordern.
Sie beauftragte einen ihrer
Wiesbadener Kollegen damit, Wegmanns Telefonate und Bewegungen der letzten
beiden Tage zu überprüfen und die der Gegenwart zu überwachen. Sämtliche
Polizeifahrzeuge waren mit einem Sender ausgestattet, um sie ständig orten zu
können. Die Daten wurden für einige Zeit gespeichert, so dass auch im
Nachhinein noch nachvollziehbar war, welches Fahrzeug sich wann wo befunden
hatte. Auch telefonische Verbindungen von Dienstapparaten wurden eine ganze
Weile gespeichert, so dass es nicht schwer fiel, herauszufinden, mit wem
Wegmann in den letzten achtundvierzig Stunden Kontakt hatte.
Es war ein Schritt, den Herforth
verantworten konnte, denn er kostete nur geringen Aufwand, würde aber unter
Umständen bereits Aufschlüsse über seine geheimen Informationsquellen liefern
können. Auf Basis dieser Aufschlüsse würde sie dann entscheiden, welche
weiteren Schritte einzuleiten waren, und ob sogar mehr Personal und Zeit für
die internen Ermittlungen aufzuwenden waren. Immerhin hatte sie beschlossen, nicht
mehr zwischen ihren Zielen zu priorisieren.
90.
Holger saß nach wie vor an dem
schwarz lackierten Konferenztisch in der CIA-Kommandozentrale im Hotel
‚Seeadler’ und starrte ungläubig auf die Anhäufung von Computern, Bildschirmen
und weiteren Gerätschaften, deren Zweck und Funktion sich ihm nicht im
Entferntesten erschloss. Ebenso fasziniert beobachtete er, mit welchem
Selbstverständnis die unzähligen Agenten dieses Übermaß an Technik handhabten
und sich zu Diensten machten.
Man hatte ihm in der Zwischenzeit
einen Kaffee gebracht, was ihm durchaus gelegen kam, denn die prinzipielle
Dunkelheit des Raums verbunden mit den hellen, wechselnden Anzeigen der
Monitore begann, seine Augen zu ermüden. Indes hatte Driver sich entschuldigt,
um die Ermittlungen direkt mitzuverfolgen.
Schließlich kehrte der CIA-Mann
mit einem ganzen Stoß an Ausdrucken zurück an den Tisch.
„Somniaks Leben”, sagte er,
während er die Hälfte der Blätter zu Holger hinüber schob. „Von seiner Geburt
bis heute.”
Holger blätterte durch die Seiten.
Sie ähnelten ein wenig einem tabellarischen Lebenslauf, wie man ihn Bewerbungen
beilegte, mit dem kleinen aber durchaus auffälligen Unterschied, dass hinter
jedem Punkt in roten Großbuchstaben das Wort ‚VERIFIED’ stand.
Holger blickte zu Driver auf und
wollte gerade etwas sagen, doch der schien seine Frage bereits antizipiert zu
haben.
„Es bedeutet, dass wir die
Angaben überprüft haben”, erklärte er. „Beispielsweise sagt uns der Computer
des zentralen Personenregisters der deutschen Bundesregierung, dass Somniak am
31.1.1963 im Krankenhaus Nordstadt in Hannover geboren wurde. Natürlich gibt es
Mittel und Wege, Einträge im zentralen Personenregister zu frisieren. Also
haben wir die Angaben mit der Datenbank seiner Geburtsklinik abgeglichen und
sie somit bestätigt. Natürlich ist es theoretisch möglich, auch diese Daten zu
manipulieren, doch der Aufwand ist bereits doppelt so groß. Alle Angaben,
hinter denen das Wort ‚VERIFIED’ steht, sind also von mindestens zwei
Quellen identisch eingeholt worden.”
Holger nickte und blätterte
weiter durch den verifizierten Lebenslauf Somniaks. Er war makellos. Geburt,
Kindergarten, Grundschule, Gymnasium, Wehrdienst, Journalismusstudium,
verschiedene feste Anstellungen und schließlich einige Aufträge als freier
Journalist. Zwischendurch einige kleinere Erkrankungen, jedoch keine
ernsthaften, keine Ehe, keine Kinder. Sämtliche Angaben waren verifiziert und
es gab keinen Anhaltspunkt, der auf kriminelle Aktivitäten, ein Interesse an
Virologie oder eine ausgeprägte Religiosität hindeutete.
„Somniak kann trotzdem nach wie
vor unser Täter sein, oder?” fragte Holger etwas unsicher. Er wusste nicht
recht, was er von den CIA-Daten halten sollte.
„Um ganz offen zu sein, Herr
Petersen, gehe ich nach der Analyse der vorliegenden Daten mehr denn je davon
aus.”
„Aufgrund davon?” Ungläubig
deutete Holger auf den Stoß
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