Virus (German Edition)
Kollegin, die sie auf Wegmann angesetzt hatte.
„Was hast du Neues?” fragte Herforth,
froh über die kurze Ablenkung von ihren eigentlichen Problemen. Es war nicht
so, als stelle Wegmann nicht auch ein Problem dar, doch seit dem Eingang des
Erpresserschreibens hatte sie erneut zu priorisieren begonnen und Wegmann
hinten angestellt.
„Ich habe das Institut gefunden,
in dem Dr. Ashcroft den Virus untersucht hat”, erwiderte ihre Kollegin. „Weit
habe ich nicht schweifen müssen, es handelt sich nämlich um das Institut für
Virologie der Universität Rostock.”
„Gut. Und?”
„Dr. Ashcroft traf letzte Nacht
kurz nach Mitternacht erstmals im Institut ein und arbeitete für gute vier
Stunden dort. Heute Morgen war sie erneut für einige Stunden da. Aber viel
interessanter ist dies.” Sarah machte eine bedeutungsschwangere Pause.
Herforths Spannungsniveau war kaum zu überbieten. „Sie befand sich in
Begleitung zweier Männer”, fuhr Sarah schließlich fort. „Devon Driver und
Holger Petersen.”
„Weißt du das sicher?” Erregung
machte sich in Herforth breit. Wenn es sich tatsächlich um Driver gehandelt
hatte, dann war dies der Beweis, dass Wegmann mit der CIA kooperiert haben
musste.
„Absolut sicher”, erwiderte
Sarah. „Ich habe dem Laborassistenten, der letzte Nacht dort war, Fotos von
Driver und Petersen geschickt. Er ist hundert Prozent positiv, dass es sich um
die Männer handelt, die letzte Nacht Dr. Ashcroft begleitet haben.”
Herforth ballte die Faust. Ihr
Jubel brauchte ein Ventil.
„Ich danke dir, Sarah, du bist
die Beste”, sagte sie dann und legte auf. Der Rest würde ein einziger Siegeszug
über Wegmann sein. Herforth empfand es als nahezu angsteinflößend, welch große
Freude sie trotz der mit jeder Sekunde wachsenden Bedrohung durch den Killer fühlte.
Unglaublich, wie weit Wegmann sie getrieben hatte. Doch das würde nun ein Ende
haben. Sie wählte Brunckes Nummer, während sie ihren Leihwagen auf der
Landstraße auf hundertfünfzig beschleunigte und durch die einsetzende
Dunkelheit schoss.
–––––
Nur etwas mehr als zehn Minuten
später hatte Milla Herforth ihren Wagen an der Polizeidirektion geparkt, sich
durch das wegen der Pressekonferenz und der Aufregung im Dorfkern stark
gelichtete, wenn auch immer noch penetrante Reporterheer gekämpft, und die
Treppen in den vierten Stock erklommen.
Mit grimmiger, von ihrem Triumph
befeuerter Entschlossenheit öffnete sie die Tür zu Wegmanns Büro, ohne
anzuklopfen. Der Hauptkommissar saß kreidebleich hinter seinem Schreibtisch,
den Kopf auf seine Hände gestützt. Offenbar hatte er noch nicht verkraftet, was
er nur knappe zwei Stunden zuvor hatte mit ansehen müssen. Doch Herforth hatte
nicht die geringste Absicht, Mitleid mit ihm in sich aufkommen zu lassen. Ganz
im Gegenteil.
Was für ein Jammerlappen! dachte sie. Und du
willst Hauptkommissar der Mordkommission sein?
„Packen Sie Ihre Sachen, Wegmann,
Sie sind vom Dienst suspendiert”, eröffnete sie sogleich aggressiv mit dem
Damenbauern.
Langsam hob Wegmann den Kopf und
starrte sie an. Es dauerte eine ganze Weile, bis er reagierte. Offenbar hatte
er Mühe, Herforth einzuschätzen, und als er glaubte, es geschafft zu haben, lag
er meilenweit daneben. Denn seine erste Reaktion war ein höhnisches Grinsen, zu
dem sein Mund sich in zeitlupenartiger Geschwindigkeit verzog.
„Sie können mich nicht
suspendieren”, erwiderte er dann, wobei er darauf Wert zu legen schien, ebenso
viel Hohn in seine Stimme zu legen wie in sein Grinsen. „Das lag nie in Ihrer
Macht und jetzt schon gar nicht mehr. Sie sind mir nicht mehr vorgesetzt, schon
vergessen, Herforth ?”
Ihrem Namen maß er eine besondere
Emphase bei, wahrscheinlich um sicher zu gehen, dass ihr sein Verzicht auf eine
Betitelung nicht entging. Sie war nicht länger Frau Herforth für ihn,
sondern nur noch Herforth . Doch sein Hohn würde ihm im Halse stecken
bleiben.
„Sie verstehen mich falsch,
Wegmann”, warf sie cool ein. „Ich suspendiere Sie nicht. Ich informiere Sie
lediglich davon, dass Sie suspendiert wurden. Der Papierkram müsste jeden
Augenblick eintreffen. Herr Bruncke hat sich persönlich darum gekümmert.”
Ein klein wenig Unsicherheit
schlich sich in Wegmanns Züge und vermengte sich mit dem höhnischen Grinsen zu
einer widerlichen Grimasse.
„Sie bluffen”, sagte er, wobei
sein Selbstbewusstsein gezwungen und krampfhaft klang. Um dem Ganzen noch mehr
Nachdruck und Überzeugung zu
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