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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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Abschlusskundgebung der Linken in Rostock
statt. Bis dahin will ich, dass jeder einzelne Gewaltbereite unter den
Demonstranten in einer GeSa sitzt. Die ersten Ausschreitungen in der Nähe des
Kongresszentrums waren zudem notwendig, um vom Tod des Professors abzulenken.
Wir mussten den Medien das Gefühl vermitteln, für alles, was dort geschehe,
seien Globalisierungsgegner verantwortlich. Der Einsatz von Agent Provocateurs ist wirklich keine Frage der Moral, Herr Wolf. Es ist eine Frage der
Notwendigkeit.”
    Ackermann blickte Mark scharf in
die Augen und einen Moment herrschte Stille. „Ich dachte, Sie hätten Ihren Job
begriffen”, fügte er schließlich an.
    „Ich habe meinen Job verstanden”,
erwiderte Mark, nur noch mit großer Anstrengung in der Lage, seine Wut zu
unterdrücken. „Aber ich habe ebenso verstanden, dass es falsch ist. Ich habe
die Globalisierungsgegner kennengelernt. Ich habe mit ihnen gezeltet, mit ihnen
getrunken, mit ihnen gesprochen. Es gibt einige wenige, die ein gewisses
Gewaltpotenzial mitbringen, allerdings handelt es sich dabei ausschließlich um
Mitläufer. Es gibt keine Anführer. Zu keiner Zeit bestand Gefahr, es könne sich
ein Schwarzer Block bilden. Hätte ich die Ausschreitungen nicht in Ihrem
Auftrag angezettelt, so wäre dies ein absolut friedlicher Gipfel geworden.”
    „Möglich”, erwiderte Ackermann.
Das Desinteresse in seiner Stimme verlieh Mark eine Gänsehaut. Hatte dieser
Mann überhaupt kein Gewissen? „Auf der anderen Seite”, fuhr dieser fort, „wäre
es aber auch ein nicht kalkulierbares Risiko gewesen. Wir können einfach nicht
riskieren, hier ein zweites Genua zu erleben.”
    „In Genua hätte es ohne Agent Provocateurs nicht halb so viel Gewalt gegeben”, zischte Mark durch zusammengepresste
Kiefer.
    „Können wir das sicher wissen?”
Arroganz mischte sich in Ackermanns Stimme.
    Mark wusste, dass er nichts würde
erreichen können. Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte, er hatte nicht
geschwiegen, doch ändern würde sich nichts. Bei dem nächsten Ereignis, der
nächsten Kundgebung würde die Landespolizei erneut einen Agent Provocateur unter die Demonstranten schleusen, um sie anzustacheln, vielleicht sogar
mehrere. Und wenn es nicht die Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern war, dann
eben die aus Bayern oder Brandenburg oder Hamburg oder Hessen. Er würde nichts
erreichen. Einzig sein eigenes Gewissen konnte er erleichtern. Nicht
reinwaschen, dafür war zu viel geschehen, hatte er zu viel Gewalt gesät, aber
ein wenig erleichtern konnte er es.
    „Sie sind exakt das uneinsichtige
Arschloch, das ich erwartet habe”, sagte er, jegliche Sachlichkeit beiseite
räumend. „Was appelliere ich an das Gewissen eines Gewissenlosen?”
    „Passen Sie auf, was Sie sagen,
Wolf”, verschärfte Ackermann seinen Tonfall.
    „Entschuldigung. War nicht böse
gemeint. Was ich eigentlich nur sagen wollte: Suchen Sie sich einen anderen Agent
Provocateur !”
    „Vergessen Sie es.” Ackermann
erhob sich von seinem Schreibtischstuhl und stand nun drohend über Mark. „Wir
können jetzt keinen anderen mehr einschleusen. Sie sind unser Mann und Sie
werden es bleiben.”
    „Sie können mich.”
    „Ich habe mir Ihre Dienstakte
angesehen. Sie sollten es sich wohl kaum erlauben, sich weiteren Anweisungen zu
widersetzen.”
    Mark lachte kurz und bitter auf.
„Ja, meine Dienstakte. Jedes Mal, wenn ich mich geweigert habe, einer unethischen
Anweisung wie dieser Folge zu leisten, gab es einen Eintrag. Und dann wurde
eben diese Dokumentation meiner Moral benutzt, um mich zu erpressen und den
Provokateur spielen zu lassen. Welch Ironie des Schicksals.”
    „Nennen Sie es, wie Sie wollen”,
tat Ackermann Marks Bemerkung ab. „Aber wenn Sie Ihren Job bei diesem Gipfel
nicht machen, werden Sie bei der Polizei kein Bein mehr auf die Erde kriegen.
Sie werden Knöllchen schreiben für den Rest Ihres Lebens.”
    „Das glaube ich kaum”, erwiderte
Mark cool. Er hatte seine Erregung überwunden und seinen Zorn in
Entschlossenheit umgewandelt. Auch er erhob sich nun. „Denn Sie werden mich bei
der Polizei nie wieder sehen. Ich kündige.”
    Mit diesen Worten zog Mark ein
Kündigungsschreiben aus seiner Jackentasche, legte es auf Ackermanns
Schreibtisch und verließ das Büro. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so
frei gefühlt.

114.
    Debbie lag flach auf ihrem Rücken
auf dem Hotelbett und starrte mit leerem Blick an die Decke. Die Situation war
einfach nur ernüchternd.

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