Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)
was?“
Krentler hatte sich in Rage geredet. Dabei konnte der arme Ralsmann nichts dafür, dass er das Gefühl hatte, alle in diesem Spiel wüssten mehr als er selbst.
Der Kellner brachte den Café. Ralsmann streute etwas Zucker über den Schaum und rührte dann um.
„Frau Kolk ist mir bekannt. Es stimmt, dass sie mich vor einigen Tagen mit dem gleichen Verdacht konfrontiert hat. Ich habe ihr gesagt, dass das durchaus möglich ist. Immerhin hat die Bundeswehr ein eigenes Team zur Seuchenbekämpfung, das ja derzeit auch erfolgreich arbeitet. Wenn man einmal von dem Vorfall bei dem Rügener Bauern absieht. Direkt bestätigt habe ich es nicht. Sie etwa?“
„Nein. Wie sollte ich auch? Wahrscheinlich wissen sie darüber mehr als ich, obwohl ich das Labor gesehen habe.“
„Nachdem Frau Kolk mich gefragt hatte, ist mir eingefallen, dass auf den letzten Konferenzen zum Influenza-Virus und zur Influenza-Bekämpfung auch ein Professor von einer dieser Bundeswehr-Universitäten dabei war. Ich glaube, er kam aus Hamburg. Er hat nie selber einen Vortrag gehalten, sondern immer nur zugehört. Seine Fragen waren klug. Leider weiß ich seinen Namen nicht mehr. Er hatte dunkle Haare und ein scharf gezeichnetes Gesicht, das aussah, als sei er immer auf der Hut.“
Rosen, dachte Krentler, das war Rosen. Die Geschichte über seine angebliche Theorie, die er ihm erzählt hatte, war ein Ablenkungsmanöver gewesen. Rosen hatte gewusst, dass Krentler die abstrusen Überlegungen ablehnen und dann vergessen würde. Er hatte ihn von Peenemünde fernhalten wollen, ohne Verdacht zu erregen. Das war ihm gelungen. Er wandte sich wieder an Ralsmann.
„Wie lange würde es dauern, einen Impfstoff zu entwickeln, wenn die Oberflächenstruktur des Virus und die RNA-Substanz bekannt sind?“ fragte Krentler.
„Ungefähr sechs Wochen.“
„Und wenn man die Pretest-Phase abzieht, also bis zur ersten Herstellung des Wirkstoffs?“
„Das erste Präparat ist nach wenigen Tagen fertig. Die Tests beginnen dann mit Blutkonserven. Wenn das Präparat gut ist, dauert auch diese Phase nur einige Tage. Danach beginnen wir in der Regel mit den Tierversuchen. Warum fragen sie?“
Auf diese Frage hatte Krentler keine Antwort.
„Nur so eine Intuition.“ sagte er und trank verlegen einen Schluck von seinem Café. „Außerdem glaube ich, dass Marie nach Peenemünde gebracht wurde, weil Rosen dachte, sie sei bereits infiziert. Er wollte sie untersuchen. Das ist allerdings nur Spekulation. Wie geht es der Kleinen eigentlich?“
„Den Umständen entsprechend gut. Sie ist noch etwas schwach auf der Brust und wir behandeln sie weiterhin mit Sauerstoff. Die Entzündung hat ihre Lunge stark angegriffen. Aber sie ist noch jung, sie wird sich gut erholen.“ Er winkte dem Kellner. „Vorausgesetzt, man lässt sie in Ruhe.“
Ralsmann zahlte für beide.
„Wegen der Militärforschung zu H5N1/Asia werde ich mich mal umhören. Rufen sie mich morgen an.“ fügte er noch hinzu, während er seinen Mantel anzog. Dann drehte er sich grußlos um und verließ das Café.
Krentler bestellte noch einen Cappuccino. Draußen hatte es wieder angefangen, zu nieseln. Die Gehwege glänzten naß im Schein der Straßenbeleuchtung. Die Uhr hinter der Bar zeigte ein Uhr. Draußen liefen geschäftig Leute vorbei. Die Gesichter hatten sie unter Regenschirmen oder Kapuzen verborgen, um sich vor der Nässe zu schützen, die früher oder später aber doch durch jeden Kragen drang.
Beim Händewaschen auf der Toilette bemerkte Krentler im Spiegel sein sichtlich ungepflegtes Äußeres. Sein Haarschnitt war aus der Fasson, die Lippen aufgesprungen und der Bart schon etwas älter als drei Tage. Um die Augen zogen sich noch immer dunkle Ringe. Seit seinem Zusammenbruch hielten sie sich dort wie hingemalt. Sobald das alles vorbei war, würde er mit Marianne und Sonja nach Italien fahren. Zuerst nach Rom und dann an die Riviera. Tagsüber würden sie durch die Altstädte spazieren oder am Strand liegen, und abends in einer urigen Taverne essen gehen, mit Primo, Secondo, vorher vielleicht einen Apéritif -
„Tschuldige, Kumpel, kann ich auch mal?“
Krentler schrak zusammen. Ein dicker Kerl mit Lederjacke schob ihn unsanft zur Seite.
„Passen sie doch auf!“ schimpfte Krentler, aber der Typ in der Lederjacke würdigte ihn keines Blickes. Wut stieg in ihm hoch. Mit einem Mal entlud sich der angesammelte Frust und die Anspannung der letzten Tage. Impulsiv schoß Krentlers rechter Arm nach oben. Seine
Weitere Kostenlose Bücher