Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)
verschwunden war. Ihr Blick verriet, dass sie nicht gerade begeistert war, ihn nochmal zu sehen.
„Frau Lohmann, sie hatten recht, das Beispiel mit den Niederlanden war unpassend. Und es tut mir leid, dass ich sie so auf den worst case festgenagelt habe. Aber ich habe den Eindruck, dass das Ministerium unsere Meinungen und Szenarien grundsätzlich verharmlost, und dachte, dass das mit einer leichten Übertreibung ausgeglichen werden könnte.“
Der Aufzug kam und sie stiegen ein. Lohmann drückte den Knopf für das Erdgeschoß.
„Sie sind doch Wissenschaftler, Doktor Krentler, oder?“
Krentler nickte.
„Gut.“ fuhr Lohmann fort. „Dann unterliegen damit der Pflicht des Forschers, Ergebnisse offen und ehrlich mitzuteilen. Gerade als Berater sollte man nicht damit anfangen, sich in die Geschäfte der Politik ziehen zu lassen.“
Krentler wechselte das Thema. „Was ich sie noch fragen wollte: In den Unterlagen, die sie mir gegeben haben, fehlen die Szenarien. Warum wollen sie die nicht rausgeben?“
„Wir warten noch auf weitere Untersuchungsergebnisse der Biologen. Bisher ist der Unsicherheitsfaktor zu hoch, als dass wir brauchbare Daten produzieren könnten. Für den Notfall gilt deshalb weiterhin der Stufenplan des Robert-Koch-Instituts. Tut mir leid.“
Sie waren unten angekommen. Durch die offene Tür, die zum Presseraum führte, hörten sie die Stimme des Ministers, der sich zu den Vorfällen in Frankreich äußerte.
„Prinzipiell sind solche Infektionen auch bei uns möglich, aber ich kann ihnen versichern, dass die systematische Aufteilung der Geflügelzucht in einzelne Zuchtparzellen das Risiko sehr stark verringert. Es gibt weiterhin keinen Grund -“. Jemand schloss die Tür. Sie verließen das Gebäude. Lohmann zuckte mit den Schultern. „Politik“, sagte sie, und stieg in die Limousine, die bereits auf sie wartete.
Krentler blickte sich nach einem Taxi um. Aber noch bevor er eines heranwinken konnte, hielt neben ihm ein schwarzer Volvo. Mit leisem Surren fuhr die Fensterscheibe herunter. Verwirrt blickte Krentler ins Innere.
„Hallo Doktor Krentler, kann ich sie ein Stück mitnehmen?“
Hinter dem Steuer des Wagens saß Sabine Kolk, die Journalistin, die ihn vor einigen Tagen im Foyer angesprochen hatte. Inzwischen hatte er einige ihrer Artikel gelesen und außerdem in Erfahrung gebracht, dass sie in der Schlacht um die heißen Informationen nicht immer mit lauteren Mitteln kämpfte. Während Krentler die Autotür öffnete, bemerkte er, dass sie ein aufregendes schwarzes Kleid trug. Er hoffte, dass das keines dieser unlauteren Mittel war.
„Wohin wollen sie?“ fragte Kolk.
„Zur Charité“, antwortete Krentler. „Was verschafft mir die Ehre?“
„Ich würde ihnen gerne ein paar Fragen stellen.“
Kolk ordnete sich in den fließenden Verkehr ein und fuhr in Richtung Alexanderplatz.
„Was für Fragen?“
„Fragen zur Seuchenprävention, Fragen zum Militäreinsatz in Mannheim, Fragen zu kranken Vögeln in Berlin.“
Krentler kam sich vor wie in einem schlechten Film.
„Dann hätten sie zur Pressekonferenz gehen sollen.“
„Herr Krentler, sie wissen so gut wie ich, dass der Minister gerne und oft Konferenzen gibt, aber sicher nicht deshalb, weil er Informationen unters Volk bringen will.“
„In diesem Fall ist es aber so.“ sagte Krentler. „Es gibt keine geheimen Undercover-Aktionen. Wie sollte man das auch machen? Geflügelbauern haben heutzutage die Angewohnheit, mehr als nur ein paar Gänse zu züchten. Wie sollte man das geheim halten?“
„Ich meine auch nicht das Geflügel, Doktor Krentler. Ich meine das Mädchen, das man aus der Klinik in Stralsund nach Berlin geflogen hat und das jetzt allein im obersten Stockwerk der Charité sitzt und die Aussicht genießt.“
Krentler schluckte.
„Ich glaube“, fuhr sie fort, „der Minister hat auf seinen Pressekonferenzen einige wichtige Details ausgespart. Und ich will wissen, welche.“
Krentler überlegte. Inzwischen hatte es angefangen zu regnen, die Scheibenwischer zogen Schlieren auf der Windschutzscheibe. Sie näherten sich dem Brandenburger Tor. Warum war er bloß in diesen Wagen gestiegen?
„Dazu kann ich ihnen nichts sagen.“
„Doktor Krentler, ich bitte sie. Soll ich ihnen ein wenig auf die Sprünge helfen?“
Sie hielten an einer Ampel. Krentler unterdrückte den Impuls, die Tür zu öffnen und auszusteigen.
„Man munkelt, dass das Militär seit einer Weile heimlich an einem Impfstoff gegen H5N1/Asia forscht. Sozusagen
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