Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)
als passive biologische Waffe. Natürlich nur, um nötigenfalls Einsätze in Krisengebieten durchführen zu können, die durch einen Ausbruch der Krankheit weiter destabilisiert werden.“ Sie unterbrach, um sich auf den Verkehr zu konzentrieren, der immer dichter wurde.
„Jeder Fall, in dem das Virus einen Menschen befällt, ist für diese Forschung von Vorteil. Und die Infektion eines westeuropäischen Mädchens wie ein Sechser im Lotto.“
„Wäre“, entgegnete Krentler, „wäre für diese Forschung von Vorteil, und wäre ein Sechser im Lotto. Sie tun so, als würden sie mir Tatsachen unterbreiten, aber für solche Unterstellungen scheint mir die Beweislage recht dünn zu sein. Wer hat ihnen denn diese Märchen von der militärischen Forschung erzählt?“
„Unter Anderen ihr Freund Ralsmann.“ antwortete sie.
„Es stimmt, dass wir die Kleine beobachten. Wir beobachten alle Grippepatienten aus den Sperrgebieten. Das Mädchen kam als Notfall in die Charité. Ihre Lungenentzündung musste von den hiesigen Spezialisten behandelt werden.“
Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend. Bevor Krentler aus dem Wagen stieg, reichte die Journalistin ihm ihre Karte. „Falls ihnen noch etwas einfällt.“ Krentler steckte die Karte in sein Portemonnaie und betrat das Krankenhaus.
25
Sonja ging es noch immer nicht besser. In der Nacht war sie mehrere Male durch Hustenanfälle aufgewacht. Die Schwester konnte sie nur durch gutes Zureden und einige Atemzüge mit der Sauerstoffmaske in den Schlaf wiegen. Ihr zartes Gesicht war zerfurcht, deutlich konnte Krentler die geschwollenen Lymphknoten erkennen.
Auf dem Weg zu Ralsmann verirrte er sich in den Gängen der Kinderstation. Er war erstaunt, dass so viele der Kinder auf dem Flur auf und ab liefen. Einige von ihnen hatten ihre Infusionen an fahrbaren Stangen mit dabei, andere humpelten auf Krücken mit einem gebrochenen Bein von einer Sitzbank zur nächsten. Sie schauten ihn neugierig an, als er vorbeilief. Er schaute ebenso neugierig zurück, was lustig aussah und die Kinder zum Lachen brachte. Es war lange her, dass er viele Kinder auf einem Haufen gesehen hatte, und er nahm sich vor, beim nächsten Geburtstag seiner Tochter auf jeden Fall zuhause zu sein, egal wie sehr Meyer die Wichtigkeit des Einsatzes betonte.
Im Fernsehzimmer wurde die Sendung mit der Maus gezeigt. Eine Krankenschwester saß bei den kleinen Zuschauern und achtete darauf, dass niemand eigenmächtig den Kanal wechselte. Sie zeigte Krentler den Weg.
Ralsmann war nicht in seinem Büro. Krentler hinterließ ihm eine Nachricht an der Tür, dass er in einem Café in der Nähe der Klinik warten würde. Was er ihn fragen wollte, war nicht für neugieriges Klinikpersonal bestimmt. Und schon gar nicht für die neuen Mitarbeiter in Camouflage.
Im Café bestellte er sich einen Cappuccino und blätterte in den Zeitungen. Durch die Dauer der Vogelgrippekrise hatte sich eine Gewöhnung eingestellt. In den Artikeln waren die Beschwichtigungen des Ministers zu den Vorfällen in Mannheim zu lesen. Die Kommentatoren waren der Meinung, dass in diesem Fall richtig gehandelt würde und dass die Gewerkschaften angesichts der Lage den Arbeitskampf aussetzen müssten. Im Geiste sah Krentler bereits das interne Memo des Verteidigungsministers, das eine weitere Erhöhung des Wehretats mit den unverzichtbaren Einsätzen der Bundeswehr in der letzten Zeit begründete. Die Überschrift müsste lauten: Kampfflugzeuge gegen Zugvögel, dachte Krentler.
Als Ralsmann das Café betrat, fiel Krentler zum ersten Mal die hohe Gestalt des Mediziners auf. Das angegraute Haar ließ sich von der Wollmütze kaum bändigen, die Arme schwenkten energisch aus, als Ralsmann sich zu Krentlers Tisch in der hinteren Ecke des Cafés wandte.
„Guten Tag Herr Krentler. Wie geht es ihnen?“ fragte Ralsmann, als wäre er bei der Visite.
„Hallo Herr Ralsmann“, antwortete Krentler, „schön, dass sie kommen konnten.“
Der Kellner kam vorbei und Ralsmann bestellte einen Café.
„Sie erinnern sich doch daran, was ich ihnen gestern über die Sache in Peenemünde erzählt habe.“ begann Krentler.
„Ja, natürlich.“
„Heute morgen hat mich vor dem Ministerium eine Journalistin abgefangen, um mir ein paar inoffizielle Statements zu entlocken. Sie hat behauptet, das Militär forsche seit einiger Zeit in Peenemünde am H5N1/Asia-Virus. Sie hat außerdem behauptet, sie hätten ihr das bestätigt. Ihr Name ist Sabine Kolk. Sagt ihnen das
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