Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)
und Café auf einem Tablett das Schlafzimmer betrat. Es roch nach kaltem Schweiß und eingetrockneten Taschentüchern. Krentler öffnete ein Fenster. Müde schlug Marianne die Augen auf. Ihr Gesicht war verquollen. Die geschwollenen Augen tränten, als sie sie öffnete, um die Nase war die Haut rot und entzündet. Sie lächelte zaghaft, als sie das Tablett sah.
„Schade, dass ich den Café nicht riechen kann.“ sagte sie.
„Ist vielleicht besser so. Die Milch ist nämlich angebrannt und die Croissants riechen nach nassen Füßen.“
Marianne musste husten. Krentler setzte sich zu ihr aufs Bett und reichte ihr das Glas mit Wasser, das auf dem Nachttisch stand.
„Hier, du musst trinken.“
„Danke, Herr Doktor. Wie war eure Sitzung?“
Krentler schüttelte unwirsch den Kopf.
„Die denken, sie hätten alles unter Kontrolle. Und machen einfach so weiter wie bisher. Als ob es reichen würde, die Viecher einfach einzusperren, bis die Wildvögel weiter gezogen sind. Aber erzähl mal den Leuten, dass sie langfristig weniger Fleisch essen sollen. Die zeigen dir den Vogel. Außerdem ist Sandhofer nicht so offen mit den Informationen, wie er behauptet.“
Er nahm einen Schluck Café.
„Wie geht es Dir?“ fragte er.
„Wahrscheinlich hat mich die Grippe einfach nochmal erwischt. Ich hätte mich noch ein paar Tage schonen sollen, anstatt gleich wieder voll zu arbeiten. Und Sonja hat sich auch noch angesteckt. Ralsmann sagt, es sei wohl nichts Schlimmes. Er wollte heute anrufen. Ich fahre am Nachmittag in die Charité.“
Krentler nahm ihre Hand und drückte sie. Marianne erwiderte den Druck. Eine Weile saßen sie so und tranken den Café.
„Wenn das hier alles vorbei ist, fahren wir nach Italien, ja?“ sagte er.
Marianne umarmte ihn schweigend.
Bevor er ging, brachte er ihr noch ein Glas Wasser.
24
Krentler saß bereits in einem Taxi auf dem Weg zur Charité, wo er seine Tochter besuchen wollte und hoffte, Ralsmann einige Fragen zur Erforschung des Virus im Hinblick auf Impfstoffe stellen zu können. Außerdem hoffte er auf Ergebnisse aus dem Robert-Koch-Institut, wo die Blutproben von Marie untersucht wurden.
Aber unterwegs erreichte ihn aus dem Ministerium die Nachricht, dass in Frankreich der komplette Bestand einer großen Geflügelfarm mit der Geflügelpest infiziert worden sei und notgeschlachtet würde. Sein Expertenwissen war gefragt. Der Minister musste sich äußern.
„Prinzipiell sind solche Infektionen auch bei uns möglich.“ Krentler saß mit dem Minister und Lohmann im Sitzungsraum. „Um ehrlich zu sein: sie sind sogar sehr wahrscheinlich, wenn es so weitergeht. Bisher endete jede Welle der Vogelgrippe mit der Notschlachtung von mehreren Millionen Tieren in mehreren Ländern der Europäischen Union. Während der letzten Welle vor wenigen Jahren wurden allein in den Niederlanden 22 Millionen Tiere getötet.“
Der Minister rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Er warf einen fragenden Blick zu Lohmann. Die Wissenschaftlerin hatte mehrere Zettel mit Tabellen vor sich ausgebreitet. Einen davon gab sie jetzt Krentler.
„Herr Krentler, sie wissen sicher, dass die Struktur der Geflügelzucht in den Niederlanden sich in wesentlichen Punkten von der in Deutschland unterscheidet. Der wichtigste Unterschied ist wohl die Abgrenzung der einzelnen Zuchtparzellen, ein weiterer die Zuchtdichte. Die Zuchtdichte ist in Deutschland geringer und die Abgrenzung der Zuchtparzellen systematisch realisiert. Kurz: im Falle eines Ausbruchs der Pest in einem Betrieb können wir die Gegend sofort dichtmachen und so die Ausbreitung bekämpfen.“
Lohmann klang wie eine Lehrerin, die im Nachhilfeunterricht zum x-ten Mal denselben Satz wiederholt. Als sie fertig war, sah sie Krentler über den Rand ihrer Lesebrille hinweg an als erwarte sie ein begeistertes Zeichen des Verstehens.
Krentler rührte sich nicht.
„Wie oft werden diese Parzellen von Geflügeltransporten angefahren? Wie groß sind diese Parzellen? Wie lange dauert es, bis die Tierseuchenbekämpfung reagiert und die Quarantäne durchgesetzt wird? Und wie viele Tiere wären im schlimmsten Fall betroffen, wenn man von einem einzigen Infektionsherd ausgeht?“ fragte er.
Lohmann antwortete mit einer Mischung aus Trotz und Triumph. „Circa fünf Millionen.“
Der Minister schwieg noch immer. Dann rief er seine Pressesprecherin herein, um die Pressekonferenz vorzubereiten.
Vor dem Aufzug wartete Krentler auf Lohmann, die nach der Sitzung in Richtung der Toiletten
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