Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)
neben ihm. In den Händen hielt er zwei Becher mit dampfendem Café.
„Solange die Aggregate noch laufen.“ sagte er und stellte die Becher auf den Tisch. „Sie wollten mich sprechen?“
„Hallo Herr Ralsmann.“
Ralsmann setzte sich und blickte Krentler an. Aus der Küche drang gedämpft das Klappern von Geschirr in den Edelstahlspülen. Nur wenige Menschen saßen an den umliegenden Tischen. Ein leises Murmeln erfüllte den Raum. Krentler umschloss den Café mit den Händen und blickte auf den Tisch. Ralsmann lehnte sich zurück.
„Danke für den Café.“ murmelte Krentler.
„Keine Ursache.“ Er nickte Krentler zu. Krentler schwieg und starrte aus dem Fenster.
„Sie erstaunen mich, Herr Krentler“, fuhr Ralsmann fort. „Hinterlassen mir eine Nachricht, dass sie mich schnellstmöglich persönlich sprechen möchten, spurten durch das Chaos draußen, was bestimmt nicht sehr angenehm war, und jetzt sitzen sie hier und starren ins Leere – was ist los?“
Krentler sah ihn an. „Glauben sie, was das Robert-Koch-Institut behauptet?“
„Was“, fragte Ralsmann, „dass es sich um Einzelfälle handelt? Dass es keine Epidemie ist? Warum sollte ich daran zweifeln?“
„Haben sie während meiner Krankheit Proben zur Analyse ans RKI geschickt?“
„Nein. Die Routineanalysen wurden erst später verordnet. Warum?“
Krentler blickte ihn eindringlich an. Dann brach es aus ihm heraus.
„Weil ich der Wirt war, verdammt noch mal!“ schrie er und sprang auf. Sein Stuhl fiel scheppernd auf den Boden.
„Ich hab das Virus eingeschleppt. Ich war der Wirt, in dem es sich verwandeln konnte. Verstehen sie? In mir hat es sich verwandelt.“
Schützend hob er seine Hände an den Kopf. Ralsmann hob den Stuhl auf und stellte ihn zurück an den Tisch. Dann wandte er sich Krentler zu. Vorsichtig hob er ihm die Hände vom Gesicht und führte ihn zurück an den Tisch.
„So, jetzt erzählen sie mir mal, wie sie sich das alles vorstellen.“
38
Li staunte nicht schlecht, als sie den Fernseher einschaltete. Nach ihrer Ankunft im Hotel hatte sie sich ein ausgiebiges heißes Bad gegönnt, sich vom Zimmerservice ein Frühstück bringen lassen und sich dann ins Bett gelegt. Der Jet-Lag machte ihr immer zu schaffen. Sie hatte zehn Stunden geschlafen. Danach hatte sie sich ein Abendessen bringen lassen. Der Fisch war zerkocht gewesen. Warum mussten die Europäer immer alles zu lange kochen?
Jetzt flimmerten Bilder einer aufgebrachten Menschenmenge über den Bildschirm. CNN berichtete live vom Dach der Schweizer Botschaft über die Ereignisse vor dem Reichstag. Vor der dramatischen Kulisse aus Dämmerung, Kanzleramt und Wasserwerfern sprach der Reporter aufgeregt in sein Mikrofon. Sie wechselte das Programm. Der nächste Sender zeigte Luftaufnahmen des Verkehrschaos. Der Hubschrauber kreiste über der Siegessäule und zeigte nacheinander beide Richtungen der Ost-West-Achse. Tausende verlassene Autos schimmerten im Licht der untergehenden Sonne. Menschen waren keine zu sehen. Es war gespenstisch.
Das Telefon klingelte. Verwundert nahm sie den Hörer ab.
„Ja?“
Am anderen Ende der Leitung meldet sich eine Computerstimme.
„Frau Johansson, bitte entschuldigen sie die Störung. Mein Name ist Maier, ich bin der stellvertretende Leiter des Hotels und möchte sie darüber informieren, dass unser Haus aufgrund eines landesweiten Stromausfalls auf die eigenen Notstromaggregate zurückgreifen musste. Ich möchte sie bitten, falls sie elektrische Geräte haben, diese vom Netz zu nehmen und mit so wenigen Lichtquellen auszukommen wie möglich. Die Minibar sowie die Heißwasserversorgung sind leider bereits ausgeschaltet worden. Im Restaurant erhalten sie jedoch weiterhin auch warme Speisen sowie ausgewählte gekühlte Getränke. Im Salon stehen Zeitungen zur Verfügung, um sich ein Bild von der weiteren Lage zu machen. Leider muss ich sie darauf hinweisen, dass derzeit alle telefonischen Verbindungen nach außen unterbrochen sind. Ich danke Ihnen für ihr Verständnis.“
Li setzte verdutzt den Hörer ab. Der Fernseher, den sie vor dem Abnehmen stumm geschaltet hatte, zeigte das Gesicht des Ministers. Sie drückte auf die Gabel und wählte dann die Nummer von Ralsmann. Aber das Telefon blieb tot.
Verwirrt begann sie, ihre Tasche zu packen. Zeit, um auszugehen. Nachdenklich wiegte sie das Fläschchen mit Reizgas in der Hand, das sie auf Reisen in unwirtliche Gegenden immer dabei hatte. Die morgendliche Szene mit dem Taxifahrer fiel ihr ein. Sie
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