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Visby: Roman (German Edition)

Visby: Roman (German Edition)

Titel: Visby: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Slawig
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dem Treffen nicht erschienen und nahm auch an der folgenden Besprechung der IT -Gruppe nicht teil. Zu dem Zeitpunkt erklärte ich mir das damit, dass sie erstens Mathematikerin war und keine IT -Expertin, und dass sie zweitens das AIMSEP demnächst verlassen würde. Also fragte ich nicht nach. Sie war schließlich nur eine von mehreren Personen, die ich mir genauer anschauen wollte. Timo Helm, der Leiter der IT -Gruppe, stand ebenfalls auf meiner Liste, genau wie zwei seiner Mitarbeiter.
    Erst als wir spätnachmittags zusammen mit Helm und seiner riesigen Hündin Katta das Gebäude verließen, erfuhr ich ganz nebenbei, dass Dhanavati nach der EuroShield-Tagung gar nicht nach Århus zurückgekehrt war. Statt wie vereinbart gemeinsam mit Helm von Berlin aus zurückzufliegen, hatte sie sich in der Innenstadt von ihm getrennt und gesagt, sie würde in ein paar Tagen nachkommen. Angeblich wollte sie Verwandte besuchen.
    Und dann erwähnte Helm noch, dass Maria Kingsley am nächsten Tag zu ihr fahren wollte.
    »Die hat Nerven«, sagte Steffen, sobald alle anderen außer Hörweite waren. »Dabei weiß sie genau, dass ich mit ihr über ihr Epidemiemodell reden muss. Ich sage dir, auf die Kollegin freue ich mich.«
    »Steht denn schon fest, dass sie ans IAI kommt?«
    Er wusste es nicht. Bei dem Gespräch in Sennewitz hatte sie um Bedenkzeit gebeten. Frohnert und er hatten jedoch den Eindruck gewonnen, dass sie zusagen würde.
    Und nun ließ sie ihren zukünftigen Kollegen hängen, noch bevor der Vertrag unterschrieben war. Ihr prinzessinnenhaftes Verhalten war jedoch nicht mein Problem – was mich irritierte, war die Art, wie Maria Kingsley darauf reagierte. Diese Frau war eben erst von einer anstrengenden Tagung und schwierigen Verhandlungen zurückgekehrt. Trotzdem hatte sie offenbar vor, am nächsten Tag gleich wieder nach Deutschland zu fahren. Um mit ihrer Mathematikerin zu reden.
    Worüber? Über den Wechsel vom AIMSEP zum IAI ? Oder darüber, dass der Sicherheitsbeauftragte des IAI in Århus war und nach dem Verfasser eines Artikels in Peace Moves suchte? Dhanavati war ihr Patenkind, das hatte ich von Frohnert erfahren. Der einen oder anderen Bemerkung hatte ich außerdem entnommen, dass sich Maria Kingsleys politische Ansichten nicht allzu stark von blind seers unterschieden. Falls ihre Patentochter den Artikel geschrieben hatte, würde sie sicherlich versuchen, sie zu schützen.
    Ich drückte Steffen meine Reisetasche in die Hand, schickte ihn allein ins Hotel und kehrte ins AIMSEP -Gebäude zurück. Maria Kingsley war in ihrem Arbeitszimmer und packte gerade Papiere und einen Laptop in ihre Aktentasche. Ich erklärte ihr sehr ruhig, dass ich sie nach Deutschland begleiten würde. Dass ich mit Dhanavati Reinerts sprechen müsse, so wie mit jedem, der mit dem Epidemieprojekt vertraut war. Und zwar bevor sie von einem Kollegen erfuhr, dass am AIMSEP nach jemandem gesucht wurde, der Interna ausplauderte. Dass Professor Frohnert Frau Reinerts kaum einstellen würde, wenn Zweifel bestünden, ob sie etwas mit dem Artikel zu tun hatte. Dass damit doch niemandem geholfen wäre.
    Sie hörte mir zu. Sie sah mich an, als wäre ich eine ganz besonders widerwärtige Form von Mikrobe, aber sie schwieg. Und am Ende sagte sie mir, wann und wo sie am Morgen losfahren würde.
    Das war natürlich der Punkt, an dem ich den entscheidenden Fehler beging. Ich glaubte, ich hätte meine undichte Stelle gefunden. Maria Kingsleys rasches Nachgeben bestärkte mich noch darin, denn ich interpretierte es als Resignation. Ich dachte, sie sähe keine Möglichkeit mehr, mich von Dhanavatis Spur abzubringen, und wollte nur noch bei der unvermeidlichen Konfrontation zwischen mir und ihr anwesend sein, um ihr Patenkind zu beschützen. Also beschloss ich, das Verfahren abzukürzen, indem ich handfeste Beweise herbeischaffte. Ich trug Steffen auf, sich während meiner Abwesenheit Zugang zum Mailserver des AIMSEP zu verschaffen, Dhanavatis Post aus den letzten vier Wochen durchzugehen und sämtliche Namen, auf die er stieß, an einen Bekannten von mir weiterzugeben. Ich hätte besser daran getan, damit zu warten, bis ich Dhanavati kennengelernt hatte. Aber hinterher ist man immer klüger.
    Maria Kingsley fuhr wie eine Verrückte. Vollgas, Bremse, Vollgas, Bremse. Auf der Überholspur so dicht zum Vordermann aufschließen, dass man den Dreck auf dessen Windschutzscheibe sah. Es passte ihr überhaupt nicht, dass ich mit im Wagen saß, und die armen

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