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Visby: Roman (German Edition)

Visby: Roman (German Edition)

Titel: Visby: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Slawig
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Hosenaufschläge, die über den Boden schleiften. Keine Schuhe.
    Er schickte den Aufpasser mit einem Nicken nach draußen und deutete mit dem brennenden Zigarillo auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Sie setzte sich. Sie sahen sich an.
    »Du hast dir eine verdammt ungünstige Zeit ausgesucht, um hier hereinzuplatzen«, sagte er schließlich. »Wir stecken in wichtigen Verhandlungen, und zum Abendessen kommt Besuch. Also wirst du mir jetzt sehr schnell und ehrlich ein paar Fragen beantworten. Es gibt da nämlich ein paar Punkte, die ich ganz und gar nicht verstehe. Willst du rauchen?«
    Sie nickte, räusperte sich. »Mein Tabak … «
    »Der hat den Transport nicht überstanden. Janis hat dir neuen gekauft.«
    Ein Päckchen Tabak klatschte neben ihr auf den Fußboden und rutschte unter den Schreibtisch.
    Sie fuhr herum. An der Tür saß ein Mann in einem Sessel, farblos, sehr still. Neben dem Sessel lag ihre Umhängetasche.
    »Ihr wart in meinem Hotelzimmer!«
    »Ja, natürlich. Wir haben deine Sachen geholt, deine Rechnung bezahlt, deine Schlüsselkarte abgegeben. Der Portier glaubt, dass du bei deinem lettischen Cousin übernachtest. Du schuldest uns hundertvierzig Euro. – Nun komm, Kind. Reg dich doch nicht über Kleinigkeiten auf. Die Hotelleute hätten dir ganz bestimmt nicht geholfen. Hier.« Er bückte sich, fischte das Päckchen Tabak unter dem Schreibtisch hervor und warf es ihr in den Schoß. »Jetzt rauch erst mal und beruhige dich. Mit dir ist ja gar nichts anzufangen.«
    Unter der Lasche steckte eine Schachtel Blättchen. Sie riss sie auf, nahm ein Blättchen heraus und zupfte Tabak aus der Packung. Die Finger der linken Hand mochten sich kaum bewegen. Die der rechten Hand zitterten. Der Tabak rutschte vom Papier, sie hob ihn wieder hinauf, und wieder, schaffte es endlich, das Blättchen zu rollen, leckte es an und knipste die heraushängenden Fäden ab. Eglund sah schweigend zu. Bei aller Eile: So viel Zeit würde er wohl immer haben, dass er zusehen konnte, wie andere sich vor ihm fürchteten. Sie streckte die Hand nach seinem Feuerzeug aus, er schnippte es zu ihr herüber und schob den Aschenbecher in ihre Richtung.
    Sie sog den Rauch tief in die Lunge. Sofort wurde ihr schlecht, ihr Magen krampfte sich zusammen, sie würgte und fing an zu husten. Sie hörte Eglund fluchen und merkte, dass er aufstand, tastete blind nach dem Aschenbecher und versuchte weiterzuatmen. Jemand nahm ihr die Zigarette weg und führte ihre Hand zu einem Glas, sie schloss die Finger darum, er hob es ihr an den Mund.
    »Trink. Los, keine Widerrede. Trink.«
    Schnaps. Hitze lief durch ihren Hals, ihre Brust, sammelte sich zu einer glühenden Kugel; ihr Magen krampfte noch einmal und entspannte sich plötzlich. Sie atmete tief ein und musste aufstoßen.
    »Trink aus.« Sie gehorchte. Eglund nahm ihr das Glas weg, goss nach und drückte es ihr wieder in die Hand. »So. Das trinkst du auch noch. Schön langsam.« Er richtete sich auf. »Wieso bist du nur nicht zu Hause geblieben bei deiner … «
    Er verstummte abrupt und wandte sich ab. Sie rieb sich die Tränen aus den Augen und sah zu, wie er sich wieder in seinem Sessel niederließ. »Zu Hause bei Mama? Wolltest du das sagen?«
    Er schwieg. Sein Zigarillo war ausgegangen; er zündete es umständlich wieder an.
    »Du erinnerst dich an sie, hab ich recht? Du erinnerst dich genau.«
    »Das, kleine Dhanavati, ist völlig unwichtig.« Er lehnte sich zurück und blies Rauch zur Decke. »Ich habe nicht vor, nett zu sein, nur weil ich deine Mutter gekannt habe.«
    »Gekannt, ja? So wie man tausend Leute kennt? Adrian sagt, sie wäre in dich verliebt gewesen. Sie hat sich deinetwegen umgebracht.«
    Aber es war, als würde man gegen eine Gummiwand schlagen. Keine Wirkung außer einem dumpfen Schmerz in der eigenen Hand.
    »Hat Adrian das wirklich gesagt? Oder hast du es dir so zusammengereimt?«
    Sie gab keine Antwort.
    »Und dass ich dein Vater bin, hast du dir auch zusammengereimt. Aber da hast du Pech gehabt, kleines Mädchen. Ich habe nämlich keine Familie. Keine Tochter, keine Söhne. Nicht mal einen Goldhamster, mit dem man mich erpressen könnte.«
    Sie starrte ihn an.
    »Hast du das begriffen? Hast du da drinnen irgendwie so etwas wie einen Verstand? – Ah, Janis.« Er setzte sich auf.
    Sie drehte sich um. Janis stand in der offenen Tür, einen Teller in der Hand. Offenbar war er irgendwann hinausgegangen; sie hatte es gar nicht bemerkt. Er kam herüber, stellte den Teller auf

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