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Visby: Roman (German Edition)

Visby: Roman (German Edition)

Titel: Visby: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Slawig
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dem Schreibtisch ab und zog sich schweigend zu seinem Sessel zurück.
    Eglund schob ihr den Teller hin. Es lagen kleine runde Scheiben Schwarzbrot darauf, ohne Sorgfalt mit Butter bestrichen und mit Salz und Pfeffer bestreut.
    Ihr Magen knurrte. Sie stellte das Glas weg, nahm eine Scheibe Brot und biss hinein.
    »So, das ist schon besser. Jetzt isst du etwas, trinkst deinen Grappa und beruhigst dich ein bisschen. Ja? Wir haben nämlich wirklich nicht den ganzen Abend Zeit.«
    Er nahm einen zerknickten Umschlag von einem Stapel Aktenmappen, zog zusammengefaltete Papierbögen heraus und warf sie vor ihr auf den Tisch.
    Lees Bericht.
    »Ich hoffe, du hast diesem Schmitz kein Vermögen bezahlt. Was er da über mich schreibt, hättest du auch in der Zeitung nachlesen können.«
    »Er … «
    »Was ich nicht verstehe, ist, wieso du dich bei der Suche nach deinem Papa so auf mich konzentriert hast. Es haben fünf oder sechs Männer im Waldhaus gewohnt, aber nach dem Bericht hier hast du dich nur für mich interessiert. Und ein bisschen für Adrian. Warum, Dhanavati?«
    »Weil ich nur die zwei Namen wusste. Adrian hat mich in Deutschland noch ein paarmal besucht. Dein Name stand in der Zeitung, als sie dich verhaftet haben. Adrian hat dann noch jemand erwähnt: Nandin, eigentlich Rainer. Aber das war später, und er wusste den Nachnamen nicht. Weißt du ihn?«
    Eine Pause. Eglund schien plötzlich nicht ganz bei der Sache. »Nandins Nachname?«, sagte er endlich. »Der hat sich bestimmt längst geändert.«
    »Aber … «
    »Halt den Mund.« Dann schien er sich innerlich zur Ordnung zu rufen, er schubste den Teller noch weiter in ihre Richtung und sagte etwas freundlicher: »Hier, iss noch was. Aber stiehl uns nicht die Zeit.«
    Doch die nächste Frage ließ auf sich warten. Er saß da, das Zigarillo glomm, der Rauch stieg senkrecht zur Decke auf, ein glattes Band ohne Falten und Schlingen; und Janis und sie warteten stumm, bis der Meister weitersprach. Besser, man behandelte den Wechsel wie einen Neustart – aber es drängte sich doch auf, die beiden Bilder übereinanderzulegen, Eglund mit Anfang fünfzig über Eglund mit Mitte zwanzig, wie er im Waldhaus im Kreis seiner Anhänger saß – vielleicht nicht rauchte, aber doch schwieg, wie jetzt, Ruhe gebietend, den Blick auf etwas gerichtet, das sonst niemand sah. Und seine Umgebung in Ehrfurcht versunken.
    »Bleiben wir bei den Ungereimtheiten.« Ohne Übergang war er mit der Aufmerksamkeit wieder bei ihr, er zog noch einmal am Zigarillo und drückte es aus, mit knappen, präzisen Bewegungen. »Du reist von Århus bis nach Riga, um mit mir zu reden, aber du hast praktisch kein Gepäck. Kein Handy. Nichts, was irgendwelche Adressen oder sonst etwas Persönliches enthält. Nur diesen Bericht von dem sogenannten Detektiv. Aber auf deinem iPod ist Musik, die im Waldhaus ständig lief. Du warst damals – wie alt? Vier? Und da erinnerst du dich an die Musik?«
    »Ich … «
    »Du kommst also nach Riga, marschierst in mein Stadtbüro, gibst dich als meine Tochter aus – meine Leute schaffen dich hierher –, und du lässt sie machen, ohne dich irgendwie zu wehren. Juri war gar nicht nett zu dir, du hattest eine Scheißangst, als du ankamst, aber hast du ein Mal mit der Polizei gedroht? Oder behauptet, dass dein Anwalt weiß, wo du bist, oder ein Journalist oder dein Freund, der Profiboxer? In dem Bericht von deinem Detektiv steht nun wirklich nicht viel, aber schon das bisschen müsste genügen, um ein nettes Mädchen wie dich zu erschrecken. Trotzdem kommst du ohne Rückendeckung zu mir? Wieso hast du mir nicht vorher eine E-Mail geschickt?«
    Arschloch, dachte sie. Du Arschloch. Als wenn es dich kümmern würde, was mir passiert ist. »Hättest du die Mail denn gelesen? Wieso sollte ich Zeit verschwenden? Und ich habe nun mal niemand erzählt, was ich vorhatte. Die Gründe sind doch egal, oder? Willst du plötzlich meine Lebensgeschichte hören? Ich denke, du hast keine Zeit?«
    »Ich denke, dass du mir etwas verschweigst, kleine Dhanavati. Und du hast noch genau zehn Sekunden, um es mir zu sagen.« Er sah auf die Uhr.
    Kein Lächeln. Er würde sie ohne zu zögern an Juri weiterreichen, wenn ihm ihre Antwort nicht genügte.
    Ich habe nicht vor, nett zu sein, nur weil ich deine Mutter gekannt habe.
    »Ich hatte Besuch«, sagte sie und räusperte sich, denn ihre Stimme spielte nicht mit. »In Århus. Sie sagten, sie wären vom LKA Berlin. Sie wollten, dass ich mich bei dir

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