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Visby: Roman (German Edition)

Visby: Roman (German Edition)

Titel: Visby: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Slawig
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sicher.« Er verschwand nach hinten, im Dunkeln. Sie machte einen Schritt ins Innere und überprüfte, dass der Türstopper tatsächlich eingerastet war. Dann stellte sie ihre Tasche davor.
    »Du traust mir … «
    Sie drehte sich um, und er verstummte mitten im Satz, seine Stimme starb einfach weg. Er stand einen Meter entfernt und sah sie an. Sekundenlang.
    Über ihnen waren Schritte zu hören. »Mach es dir bequem.« Er drückte ihr einen Aschenbecher in die Hand, schob sich an ihr vorbei und war fort.
    So viel zum Thema Wir reden auf dem Boot . Sie setzte sich direkt an die geöffnete Tür, den Rücken gegen die Wand gelehnt, den Aschenbecher neben sich. Wasser rauschte auf, die Yacht legte sich schräg und richtete sich langsam wieder auf. Sie drehte sich eine Zigarette.
    Ab nach Hause, Kind.
    It will be so good for your soul.
    Maria, wenn du wüsstest, wohin es mich verschlagen hat. Waffenhändler. Polizeispitzel. BND -Agenten. Hättest du mir geholfen, Maria? Wenn ich in der Nacht zu dir gekommen wäre – dir von den Arschlöchern erzählt hätte –, hättest du mir das Gleiche geraten wie alle? Forget about your daddy, get on with your life? Auf dich hätte ich vielleicht gehört, Maria.
    Vielleicht.
    Für kurze Zeit.
    Wasser klatschte gegen den Rumpf, in gleichmäßigem Rhythmus. Durch die Türöffnung wirbelte kalte Luft herein. Eglunds Schal war im Schlafzimmer liegengeblieben. Sie schloss die Jacke bis zum obersten Knopf und richtete den Kragen auf, dann trat sie ins Freie.
    Die Yacht hatte das Meer erreicht. Das Ufer blieb hinter ihnen zurück, Sandstrand vor Kiefernwald, in dem noch die Dunkelheit hing. Wellen liefen darauf zu, in langen silbrig blauen Fronten, auf deren Kämmen es golden flirrte.
    Die Farben des Himmels. Sie ging zum Heck, schlang die Arme um den Oberkörper und schaute nach Osten. Der Himmel war ein transparenter Dom, durch den man tief ins Weltall blickte. Ins Unendliche. Nur noch von den geodätischen Linien des Raumes gelenkt. Schwarze Vögel zogen tief über das Wasser. Wo sich die Parallelen der Wellenfronten trafen, färbte sich der Horizont langsam gelb. Die Küste war jetzt weit entfernt, aber man erkannte noch die Flussmündung, durch die sie das Meer erreicht hatten, eingefasst von langen Sandbänken. Ein Nebenarm, nicht der breite Strom, an dem Riga lag, wie immer er hieß. Zwischen den Bäumen schaute hier und da ein Hausdach hervor. Außer ihrem war kein Boot unterwegs.
    Die Yacht wurde langsamer. Der Motor verstummte.
    Schritte, hinter ihr. Sie drehte sich um.
    Der Dicke stieg vom Bug her zu ihr herunter. Als er sie sah, hielt er inne und blickte verärgert, dann zeigte er nach oben. »You go up.« Er verschwand in der Kajüte.
    Eglund saß an einem Tisch im hinteren Teil des Oberdecks. Die Arme entspannt über die Rücklehne der Sitzbank gebreitet. Lederjacke. Wind in den Haaren. Reich und selbstsicher. Sie setzte sich ihm gegenüber. Er beobachtete sie, aus dem Schatten heraus, denn natürlich hatte er seinen Platz so gewählt, dass er den Osthimmel im Rücken hatte. Während auf ihr Gesicht, ihr zerquetschtes, verquollenes Gesicht, kaltes Morgenlicht fiel. Ihr linkes Auge tränte mal wieder. Sie rutschte auf der Bank herum, bis sie ihm halb das Profil zuwandte, und holte den Tabak hervor.
    Schritte auf der Treppe. Der Dicke stellte einen Korb zwischen ihnen auf den Tisch, sagte etwas und zeigte auf sie. Eglund nickte und deutete mit dem Kopf zur Treppe. Der Dicke verschwand nach unten, Eglund nahm eine Thermoskanne und zwei Kaffeebecher aus dem Korb.
    »Ich bin erst rausgegangen, als wir auf dem offenen Meer waren.«
    Er hob kurz den Kopf, aber sagte nichts, sondern goss schweigend Kaffee ein.
    »Ich habe überhaupt kein Interesse daran, dir die Polizei auf den Hals zu schicken.«
    Er schraubte die Thermoskanne zu. »Das habe ich auch nicht angenommen.« Er stellte ihr einen Becher hin und packte weiter aus. Ein Baguette. Ein Brotmesser. Eine Plastikdose; er öffnete sie: Käseecken, Röllchen aus rohem und gekochtem Schinken, kleine Frikadellen.
    »Was wäre passiert, wenn ich letzte Nacht rausgegangen wäre? Nur aus Neugier?«
    Ein Plastikbecher mit Oliven. Ein zweiter mit Cherrytomaten. Papierservietten. Er schob die Servietten unter die Dose. »Wärst du rausgegangen? Wenn ich nicht dazugekommen wäre?«
    »Unwahrscheinlich.« Doch sie sah sich dort in der Halle stehen, hörte die Stille, sah die flatternden Schatten. Roch den Fluss, spürte die Weite gleich vor

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