Viscount und Verfuehrer
miteinander auskamen. Was für ein Segen, dass Lord Bennington zur Hand war, um Charlotte ein wenig auszuführen, das würde ihr sehr gut tun. „Ich glaube, ich gehe jetzt nach Hause und schreibe an Großvater. Er hat schon eine ganze Weile keinen Brief mehr von mir bekommen.“
„Den letzten hast du vor zwei Tagen losgeschickt, ich habe es gesehen.“ Beatrice verzog das Gesicht, als Miss Temple sich zur Vorbereitung auf die nächste Runde das Kleid glatt strich. „Wir bleiben. Außerdem, wenn wir jetzt gehen, muss ich Harry wecken, und er wird grantig, wenn er nicht mindestens eine Stunde schlafen kann. “
Sie erduldeten zwei weitere musikalische Versuche seitens der enthusiastischen Miss Temple. Der letzte Ton - zitternd und grausam falsch - klang durch den Raum, prallte von den Gläsern ab und waberte wie ein grässlicher Nebel durch die Köpfe der Anwesenden.
Harry wachte vor Schreck auf. Erschrocken sprang er auf, die Brille flog ihm von der Nase, während er versuchte, das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Einen Augenblick stand er mit wild rudernden Armen da, Augen und Mund weit aufgerissen. Beatrice packte ihn am Ärmel und zog ihn auf den Sitz zurück, allerdings nicht bevor ein paar Leute in ihrer Nähe über seine Miene schieren Entsetzens in Gelächter ausgebrochen waren.
„Harry!“, zischte Beatrice, während das Publikum Miss Temple am Ende ihres Vortrags matt, aber höflich applaudierte.
„Lieber Himmel! Was war das nur für ein entsetzlicher Lärm?“
Ein Mann in der Reihe vor ihnen drehte sich zu ihnen um und meinte: „Genau das frage ich mich auch schon seit mindestens einer halben Stunde! “
„Huntley!“, schalt die Frau an seiner Seite, die ein wenig verlegen wirkte. „Bitte nicht so laut.“
„Nicht so laut? Ich war nicht diejenige, die gekreischt hat wie eine Katze, der man auf den Schwanz getreten hat.“ Der Mann erhob sich. „Mary, ich liebe dich von Herzen, aber dieses Grauen tue ich mir keine Sekunde länger an. Ich gehe nach Hause.“ Er machte sich auf den Weg zur Tür. Seine Gemahlin warf Beatrice einen gehetzten Blick zu, ehe sie ihre Sachen zusammenraffte und ihm nacheilte.
Harry stand ebenfalls auf. „Huntley - wer er auch sein mag - ist ein Genie. Beatrice, ich will nach Hause. Such deine Sachen zusammen.“ Er wollte ebenfalls zur Tür gehen, doch der Weg wurde ihm von seiner Gattin versperrt.
„Wir können Beth nicht hier allein lassen. “
Harry blickte zu Beth. Seine schläfrigen blauen Augen blickten hoffnungsvoll. „Hast du für heute Abend genug Musik gehört, meine Liebe?“
„Mehr als genug.“ Beth hob ihr Retikül vom Boden auf und erhob sich. Sie lächelte. „Ich weiß nicht, wie das angehen kann, aber ich habe heute Abend ein wenig Heimweh.“
„O Beth! “, rief Beatrice aus. „Das tut mir ja so leid! Haben wir nicht genug zusammen unternommen?“
„Ach, das ist es nicht. Ich vermisse einfach Großvater und das Haus. Meine Rosen werden schon geblüht haben, und ich bin nicht da, um darauf zu achten, dass sie einwandfrei gestutzt werden, und Großvater isst nicht richtig, wenn keiner da ist, um auf ihn aufzupassen. Aber ...“, Beth straffte die Schultern, „... bald gehe ich ja nach Hause. Ich habe ihm versprochen, diese eine Saison zu bleiben, mehr bekommt er nicht.“
„So vergraben auf dem Land könnte ich nie glücklich sein“, meinte Beatrice mit einem reuigen Lächeln. „Du hingegen warst dort schon immer gern. “
„Wenn du Großvater das nur verständlich machen könntest!“
Sie gingen weiter Richtung Tür und hatten sie gerade erreicht, als in der Eingangshalle Unruhe aufkam. Bevor sie ihn noch sah, wusste Beth bereits, wer der Neuankömmling war - Westerville.
Es war tatsächlich der Viscount, doch er kam nicht allein. Begleitet wurde er von einer großen, gut gebauten, ziemlich pferdegesichtigen Dame. Bei ihrem Eintritt wurden die beiden sofort von anderen Gästen umringt.
„Das bei Lord Westerville ist ja Sally Jersey!“, sagte Beatrice. „Ich muss schon sagen, die lässt auch keinen attraktiven Mann an sich vorübergehen, was?“
„Anscheinend nicht“, meinte Beth. Sie war mehr denn je entschlossen, die Veranstaltung zu verlassen.
Harry blieb im Gang stehen. „Gerade drängen zu viele Leute von außen herein, verdammt. Der Gang ist vollkommen dicht. Wahrscheinlich haben die, die gehen wollten, es sich noch einmal anders überlegt, als sie Westerville und Lady Jersey reinkommen sahen. “
Beatrice
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