Viscount und Verfuehrer
alles so schnell geschehen. Selbst jetzt konnte sie den Stand der Dinge nicht recht akzeptieren. Wenn ihr Großvater sich durchgesetzt hätte, wäre sie bereits verheiratet. Erst heute Morgen hatte er sie und Charlotte mit der Ankündigung überrascht, dass die Schneiderin bald eintreffen würde, um die Arbeit an Beths Hochzeitskleid aufzunehmen.
Beth hatte natürlich protestiert. Sie kam sich vor wie eine Kugel auf abschüssigem Gelände, ohne Kontrolle darüber, in welche Richtung sie rollte.
Seufzend lehnte sie sich auf der Bank zurück. Was immer Westerville auch zu ihrem Großvater gesagt hatte, es hatte dem alten Mann eine Spur Respekt eingeflößt. Natürlich nicht viel, mehr als ein bisschen war den nicht blutsverwandten Familienmitgliedern noch nie zugestanden worden, man sehe sich nur Charlotte an. Dennoch ... alles in allem betrachtet, war sogar diese winzige Spur widerstrebende Bewunderung erstaunlich.
Über Beth raschelte es. Sie drehte sich um und entdeckte Lord Bennington, der den Laubengang soeben betreten hatte und nun verlegen dastand. Beth rang sich ein Lächeln ab.
Er verneigte sich und lächelte schwerfällig. „Lady Elizabeth, bitte verzeihen Sie mein Eindringen. Ich dachte, Charlotte könnte hier sein.“
„Nein, ich glaube nicht, dass sie schon aufgestanden ist.“ Bennington sah auf seine Uhr und runzelte verstimmt die Stirn. „Es ist bereits nach eins. Sollte nicht heute Morgen der Arzt zu ihr kommen?“
„Ja, aber sie hat ausrichten lassen, dass sie schlecht geschlafen hat und sie ihn stattdessen nächste Woche konsultieren will.“
Benningtons Missfallen war beinahe mit Händen zu greifen. Wieder einmal staunte Beth über die Tiefe der Gefühle, die jener Mann für ihre Stiefmama hegte.
„Charlotte sollte den Arzt empfangen, wenn er kommt.“ Er schwieg und spielte mit den Handschuhen herum, die er in der Hand hielt. Plötzlich platzte er heraus: „Charlotte geht es aber doch gut, nicht wahr?“
Beth verbarg ein Lächeln. Was Bennington an Eloquenz vermissen ließ, machte er mit besorgten Ausbrüchen wett. „Ja, allerdings. Seit Sie immer wieder Ausflüge mit ihr machen, geht es ihr schon sehr viel besser.“
Zu ihrer Überraschung lief er tiefrot an. „Das glaube ich auch. Tatsächlich habe ich Ihren Großvater gefragt, ob ..." Bennington warf Beth einen verstohlenen Blick zu und überlegte es sich offenbar anders. „Tut mir leid. Ich sollte Sie nicht mit meinen Überlegungen belasten.“
„Schon gut. Sie gehören doch fast zur Familie.“
Eifrig trat er vor. „Ja! So empfinde ich das auch! Tatsächlich wäre es sehr nachlässig von mir, wenn ich Ihnen nicht sagte ... ich meine, Ihnen anböte ... Lady Elizabeth, ich habe von Charlotte erfahren, was in London passiert ist.“
Beths Wangen röteten sich. „Wie freundlich von ihr, Sie zu informieren.“
Bennington schüttelte den Kopf. „Sie meinte es nicht böse. Sie war um Ihretwillen sehr bekümmert. Wissen Sie, sie hält große Stücke auf Sie, und vom Viscount ist sie nicht sehr angetan. Eigentlich hat sie sogar Bennington hielt inne. „Was ich sagen wollte, ist, dass sie Sie sehr gern hat.“
„Ich weiß. Tut mir leid, ich wollte nicht so heftig reagieren.“
„Durchaus verständlich. Ich weiß, dass Ihr Großvater diese Ehe für Sie arrangiert hat. Natürlich kenne ich den Viscount nicht, aber wenn Sie aus irgendeinem Grund einmal eine Zuflucht brauchen, lassen Sie es mich wissen. Ich habe in Brighton eine unverheiratete Tante. Ihr Großvater würde nie erfahren, wo Sie sind, und doch wären Sie in Sicherheit und gut versorgt.“
Beths Herz schwoll an. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich ... danke, Lord Bennington. Das ist wirklich furchtbar nett. Ich werde Ihr Angebot im Kopf behalten, falls es ganz unerträglich werden sollte.“
Ein langsames, fast erfreutes Lächeln huschte über Benningtons Gesicht. „Das hoffe ich, Lady Elizabeth. Ihr Vater war für mich ein ganz besonderer Mensch, und auch Ihre Stiefmutter bedeutet mir viel. Charlotte war immer ...“ Er fing Beths Blick auf und zuckte zusammen. Sein steifes Benehmen kehrte zurück. „Tut mir leid. Ich sollte ins Haus gehen und nachsehen, ob Charlotte schon aufgestanden ist. Sie erwartet mich.“
„Natürlich.“ Beth legte den Kopf schief. Fuhr da am Hintereingang eine Kutsche vor? Merkwürdig, die hintere Auffahrt wurde so gut wie nie benutzt. Es sei denn ... Sie richtete sich auf.
Lord Bennington verneigte sich. „Ich bitte
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