Vision - das Zeichen der Liebenden
oder ein Dämon aus der Hölle. Ich liebe sie und sie liebt mich.«
Nieve erwiderte sein Lächeln skeptisch. »Woraus schließt du das?«
»Als ich in Gefahr war, als Ober mich umbringen wollte, hat sie euch gerufen. Sie wusste, dass ihr mich retten würdet, deshalb hat sie euch geholt. Sie hat ihr Leben für mich aufs Spiel gesetzt.«
Nieve musste lachen, ein singendes Lachen, so fröhlich wie das eines Kindes. Vielleicht empfand es Alex gerade deshalb als so verletzend. »Was ist denn so lustig an dem, was ich gesagt habe?«, fragte er gekränkt.
»Bitte entschuldige! Ich wollte dich nicht kränken. Ich hätte nur nicht gedacht, dass du so naiv bist. Glaubst du wirklich, Jana hätte uns in die Festung geholt, um dich zu retten?«
Alex nickte, wenn auch weniger überzeugt als noch vor wenigen Augenblicken.
»Vielleicht hast du recht. Vielleicht wollte sie dir in dem Moment tatsächlich helfen. Aber früher oder später hätte sie Ober sowieso an uns verraten und das war die perfekte Gelegenheit für sie. Sie versucht schon so lange, mit uns ins Geschäft zu kommen. Als Arions Schatten verschwunden sind und die Festung der Drakul nicht mehr geschützt war, begriff sie genau wie wir, dass du der Letzte sein musst. Sie hat uns geholt, damit wir dich retten und dafür Ober und seine Leute umbringen. Ihr kommt es hauptsächlich darauf an, sich an den Drakul zu rächen. Alles andere ist für Jana zweitrangig. Ober hat ihre Eltern getötet, wusstest du das?«
»Und dazu verbündet sie sich mit euch, ihren Todfeinden? Das ergibt für mich keinen Sinn.«
»Sie glaubt, dass eine Verständigung zwischen den Wächtern und den Medu möglich ist. Die Vorstellung muss von ihrer Mutter stammen, Jana scheint sie schon früh übernommen zu haben. Sie wäre sofort bereit, Frieden mit uns zu schließen und im Gegenzug die Freiheit der Menschen ein bisschen mehr zu achten, auf einen Teil ihres Einflusses auf die Menschen zu verzichten, wenn dafür Ober gestürzt würde und sie ihm als Oberhaupt der Klane nachfolgen könnte.«
»Und ihr würdet euch auf so einen Handel einlassen?«, fragte Alex gespannt. »Das ist doch eigentlich gar kein schlechter Gedanke.«
»Ja, das finde ich auch. Aber die anderen Wächter denken anders.« Nieve runzelte die Stirn. »Keiner von ihnen hält Jana für vertrauenswürdig, für sie sind das alles nur leere Versprechungen. Obwohl ich das Gefühl habe, es liegt gar nicht so sehr an Jana: Sie kämpfen einfach schon zu lange gegen alles, wofür die Medu stehen. Sie können sich nicht mehr ändern.«
»Aber du kannst dich ändern?«
Nieve blickte durch das Fenster in den Sternenhimmel. Von ihren bleichen Wangen ging ein perlmuttfarbener Schimmer aus, der sich zusehends bläulicher färbte. »Ich habe mich schon verändert«, sagte sie traurig. »Ich bin diesen ewigen Krieg so leid. Ich bin die Unsterblichkeit leid. Ich will wieder ein Mensch werden und sei es nur für ein paar Stunden. Aber dazu muss der Krieg zwischen Wächtern und Medu endlich enden. Deshalb habe ich Jana geholfen und deshalb werde ich ihr bei der nächsten Gelegenheit wieder helfen.«
Einige Minuten saßen sie einfach nur schweigend da, in den Anblick der Nacht versunken.
»Warum erzählst du mir das alles?«, fragte Alex leise.
»Weil du dasselbe willst wie ich, ich lese es in deinen Augen. Du denkst darüber nach, der letzte Wächter zu werden, damit es kein anderer wird. Einer, der für die Medu gefährlicher ist als du, der sie aus tiefstem Herzen hasst… Im Grunde willst du dich opfern, um Jana zu schützen.«
Alex nickte, er war verlegen. »Das stimmt. Aber ich will euch auch nicht verraten. Ich habe Corvino versprochen mitzukommen und alles zu lernen, was ihr mir beibringen wollt. Er glaubt, dann würde sich auch meine Einstellung zu den Medu verändern.«
»Glaubst du das auch?«
Alex zögerte einen Moment. »Ich kann es mir nur schwer vorstellen, aber bin bereit, es darauf ankommen zu lassen.«
Nieve betrachtete ihn, ein kleines Lächeln auf den Lippen. »Du bist sehr mutig«, sagte sie. »Sehr wenige Leute würden sich auf so etwas einlassen. Wie sehr du mich an Arawn erinnerst…«
»Bin ich ihm wirklich ähnlich?«, fragte Alex neugierig.
»Körperlich? Überhaupt nicht. Du bist ein ganz anderer Typ. Er hatte dunkle Haare und war älter als du. Er wirkte immer irgendwie traurig… Aber du bist ihm ähnlich darin, dass du vor nichts Angst hast. Nicht einmal davor, zu leiden oder das zu verlieren, was dir
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