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Vision - das Zeichen der Liebenden

Vision - das Zeichen der Liebenden

Titel: Vision - das Zeichen der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
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er die Macht empfängt. Dann ist er nur noch zum Teil ein Mensch. Sein Körper kann nur sterben, wenn seine Seele vernichtet wird. Aber meine Seele konnten die Medu nicht vernichten und deshalb konnten sie mich auch nicht töten… Als sie das erkannt haben, hat Agmar Drakul davon überzeugt, mich hier einzusperren. Sie dachten, solange ich gefangen bin, könnte meine Macht nicht auf einen anderen Menschen übergehen. Sie dachten, so würde es keinen neuen Wächter der Worte geben. Manchmal habe ich es sogar selbst geglaubt… Doch sie haben einen fatalen Fehler begangen. Den hier.«
    Alex spürte, wie mit Piercings gespickte Finger über seine Wange glitten. Er wollte das Gesicht wegdrehen, aber Arions Hand hielt es erbarmungslos umklammert.
    »Sie haben meine Haut durchlöchert, haben mir diesen grauenvollen Schmuck hineingebohrt«, röchelte die Stimme. »Sie haben mich verstümmelt und mit jedem Stich haben sie sich das zurückgeholt, was ich ihnen zuvor entrissen hatte. Sie haben die Schatten wieder befreit… Deswegen, nur deswegen sind sie immer noch an der Macht.«
    »Was meinst du?«, sagte Alex. »Was für Schatten? Was haben sie sich von dir zurückgeholt?«
    Die Hand löste sich von seinem Gesicht. Alex hörte es in der Dunkelheit rasseln. Das Geräusch vermittelte ihm eine vage Vorstellung, wohin das Ungeheuer sich bewegte.
    »Die Worte. Die Symbole. Sie halten die Medu am Leben, nur auf ihnen basiert ihre Macht. Sie benutzen sie, um den Menschen etwas vorzugaukeln, ihnen den Blick auf die Wahrheit zu verstellen, um sie in eine Scheinwelt zu verbannen. Bis wir Wächter aufgetaucht sind und den Medu die Symbole entrissen haben. Wir haben die Menschen gezwungen, ins Licht zurückzukehren, wieder klarer zu sehen. Es hat ihnen nicht gefallen. Denn im Lügenlabyrinth der Medu lebt es sich durchaus bequem. Traditionen, Mythen, Legenden … Worte können auf tausenderlei Weise verführen. Und die Menschen sind so leichtgläubig … wir mussten ihnen die Augen öffnen.«
    »Wie denn? Wie brecht ihr die Magie der Medu?«
    »Das habe ich doch gerade gesagt«, erwiderte Arion ungeduldig. »Wir befreien sie von diesen schrecklichen Mustern auf ihrer Haut. Diesen Zeichen, mit denen die Medu die Menschen beherrschen.«
    Alex schluckte. Das war also die Wahrheit… Der Letzte hatte den Medu ihre Macht genommen, indem er ihre Tattoos beseitigte. Und Agmar und Drakul hatten es geschafft, sie sich zurückzuholen – wie es schien, indem sie den Wächter mit einer Unzahl an Piercings verstümmelt hatten.
    »Ich habe sehr gelitten«, sprach Arion weiter und seine Stimme klang auf einmal seltsam jung und schutzlos. »Aber jetzt, wo du hier bist, wird mir klar, dass diese Qual für etwas gut war. Wie weise das Schicksal ist! Einen von ihnen auszuwählen, um sie zu täuschen! Diesmal werden wir es schaffen. Diesmal werden wir die Medu endgültig vernichten.«
    »Aber was würde das für die Menschen bedeuten? Wie soll das gehen, ein Leben ohne Worte?«
    Arion lachte wieder. Es war ein fröhliches, fast kindliches Lachen. »Du nimmst ihnen doch nicht die Worte weg! Was für eine lächerliche Vorstellung! Du befreist sie. Du holst sie aus der Sklaverei. Das Licht der Wahrheit… Das wirst du ihnen geben.«
    »Ich verstehe immer noch nicht, was genau du meinst.«
    In der Dunkelheit stießen die Piercings an Arions Fingern aneinander und klickten leise.
    »Die Menschen verwechseln die Worte mit der Wirklichkeit«, erklärte das Ungeheuer erschöpft. »Sie sperren sich in eine Welt aus Begriffen, weil das sehr bequem ist. Sie gewöhnen sich daran, alles zu vereinfachen und auf vorgefertigte Symbole zu reduzieren. So brauchen sie den Dingen nicht auf den Grund zu gehen. Deine Aufgabe ist es, sie aus dieser Bequemlichkeit zu reißen… Sie werden die Worte weiterhin benutzen, um sich zu verständigen, aber sie werden nicht mehr ihre ganze Welt darauf aufbauen. Sie werden lernen, andere Fähigkeiten zu entwickeln wie das Schweigen und die innere Einkehr. Und vor allem werden sie aufhören, Parallelwelten zu erfinden und sich dorthin zu flüchten. Sie werden sich nicht mehr ständig mit Geschichten einlullen, die sie von der Wirklichkeit ablenken. Darin besteht die eigentliche Befreiung!«
    Alex schwieg. Arions Gegenwart nahm ihm die Luft zum Atmen. Er wollte nur noch eins: weg von hier!
    »Das willst du nicht, oder?«, fragte Arion nach einer Weile.
    »Nein«, gab Alex zu.
    Für einige endlose Minuten war nichts anderes zu hören als

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