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Vision - das Zeichen der Liebenden

Vision - das Zeichen der Liebenden

Titel: Vision - das Zeichen der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
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zwischen spitzen Stäben aus Stahl eingesunkenen Augen sprühten Funken. »Weil sie das Böse sind. Sie säen Lügen. Sie sperren die Menschen in ein Labyrinth aus Schatten.«
    »Was du ›Lüge‹ nennst, nennen andere ›Geschichten‹. Die Menschen haben eine natürliche Neigung, zu erzählen und sich Geschichten auszudenken. Sie können gar nicht anders.«
    »Ja, deshalb sind die Medu aufgetaucht«, knüpfte Arion an seinen Gedanken an. »Durch und durch verlogen. Lebende Illusionen. Du hast keine Ahnung, welche Katastrophen sie in der Vergangenheit ausgelöst haben, wie viele Herzen sie gebrochen, wie vielen Menschen sie den Willen genommen haben. Glaub mir, sie sind schlimmer als der Tod.«
    Alex musste an Janas heiteres, schönes Gesicht denken, an ihre dunklen, nachdenklichen Augen. Trotz allem, was er sie hatte tun sehen, wusste er, dass sie nicht wirklich böse war. »Sie sind auch Menschen«, sagte er. »Sie sind in unserer Welt gefangen, so wie wir in ihrer.«
    »Ja, aber du kannst das ändern. Du kannst uns von ihnen befreien, vielleicht für immer. Ich bin nur noch ein Wrack ohne Vergangenheit und Zukunft. Aber du bist anders. Dir kann gelingen, woran ich gescheitert bin… Setz dich auf den Thron, bring das Opfer, das ich zu bringen versäumt habe. Vernichte sie. Tu es für deine Liebsten, wenn du welche hast.«
    »Wie wird die Welt sein, wenn sie verschwinden?«
    Arion ließ sich mit der Antwort Zeit. »Sie wird einfacher. Dann wissen die Menschen, was sie wollen. Sie haben keine Zweifel, sie leben im Hier und Jetzt. Sie verstellen sich nicht mehr, weder vor anderen noch vor sich selbst. Und dadurch brauchen sie auch keine Geschichten mehr zu erfinden, um sich in andere Welten zu flüchten. Sie akzeptieren die Wirklichkeit, wie sie ist. Das ist wahre Weisheit.«
    »Aber dann leben sie wie Tiere«, sagte Alex. Es war ein verzweifelter Versuch, den alten Wächter zu provozieren. Und es gelang ihm tatsächlich.
    »Nein, wie Götter«, widersprach Arion mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. »Der Mensch kann wie ein Gott sein, wenn er die Wahrheit kennt und darin lebt. Ohne all diese Illusionen, Träume und Hirngespinste.«
    »Was genau ist denn die Wahrheit?«, fragte Alex neugierig. »Ist sie für alle gleich?«
    Arion schien zu spüren, dass Alex wirklich an seiner Antwort interessiert war. »Die Wahrheit liegt nicht in uns selbst, sondern in der Welt da draußen, und ja, sie ist für alle gleich. Unsere Sprache, unsere Angewohnheit, auch die komplexesten Dinge zu vereinheitlichen und sie hinter ungenauen Begriffen zu verbergen, hindert uns daran, die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist. Nur wenn es uns gelingt, uns davon zu lösen, können wir es schaffen, den Schleier zu lüften, der uns umgibt, und direkt ins Licht sehen. Dazu bedarf es jedoch viel Übung und einer großen Willenskraft. Denn zuvor müssen wir uns frei machen von all unseren Gefühlen, Wünschen und Erwartungen. Genau darum ist es den Mystikern zu allen Zeiten gegangen: sich von den Worten zu befreien. Die Welt anzunehmen, wie sie wirklich ist.«
    Alex dachte über Arions Erklärung nach. Sie ging ihm merkwürdig nahe. »Vielleicht hast du recht«, räumte er schließlich ein. »Ohne Worte hätten wir vielleicht Zugang zu einem Teil der Realität, der uns jetzt entgeht. Aber welche Bedeutung hätte das für uns?«
    Arion wandte sich dem leeren Thron zu. Er sah ihn lange an, mit dem Rücken zu Alex.
    »Den Mystikern ist es gelungen, sich von den Worten zu befreien, aber sie haben sich die Liebe bewahrt«, überlegte Alex weiter. »Die Liebe zu Gott, zur Menschheit … einfach zu allem. Die Liebe ist auch eine Art und Weise, die Welt zu sehen, oder? Sie braucht keine Worte.«
    Arions Körper bebte unmerklich. Auf seiner verunstalteten Haut tanzten die geschwätzigen Figuren des Schattentheaters einen grotesken Tanz.
    »Die Liebe? Vielleicht habe ich irgendwann mal gewusst, was das ist. Aber das ist lange, lange her.«
    »Du hast es vergessen.«
    Arions Schweigen dehnte die Sekunden ins Unendliche. »Ja, ich habe es vergessen«, gab er schließlich widerwillig zu. »Aber trotzdem gibst du mir recht mit dem, was du sagst. Der Mensch kann die Wirklichkeit auch ohne Worte wahrnehmen. Durch die Liebe. Wir brauchen die Medu nicht. Wir können ohne sie leben, wir sind nicht auf sie angewiesen, um unserem Leben einen Sinn zu geben.«
    »Aber wir müssen sie auch nicht vernichten.«
    »Ich schon«, zischte der Wächter. Langsam drehte er

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