Vision - das Zeichen der Liebenden
wirklich magische Kräfte hat.«
»Aber… wie kannst du so jemanden lieben, jemanden, der dir nur schaden will?«
Alex’ Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Du hast unrecht, Erik. Okay, ich hab keine Ahnung, was Jana von mir will, und ich weiß nicht, ob ich wirklich so verrückt sein soll, zu glauben, dass sie irgendwelche Formen der Magie beherrscht. Aber glaub mir, ich kenne sie besser, als du denkst. Vielleicht sogar besser, als sie sich selbst kennt.«
Erik musterte ihn argwöhnisch. »Ich weiß nicht. Kann schon sein, dass du mehr siehst als ich. Manchmal kommt es mir auch so vor, als ob… ach, egal.«
»Weißt du, was dein Problem ist, Erik? Dass du deinen Gefühlen nicht traust. Du verlässt dich nicht auf sie, du zögerst zu viel. Weil du Angst hast, Fehler zu machen.«
Erik drehte sich noch einmal nach Jana um, die immer noch reglos lächelnd wie eine Statue an der Hofmauer lehnte. »Vielleicht hast du recht«, sagte er, ohne den Blick von ihr abzuwenden. »Ich will keine Fehler machen. Das kann ich mir nicht leisten.«
Als er Alex wieder ansah, huschte ein Anflug von Traurigkeit über sein Gesicht. »Und du kannst es dir auch nicht leisten, Alex. Bitte glaub mir. Es ist so wichtig, dass du mir glaubst…«
Alex gab keine Antwort. Auf der Freitreppe des Hauptgebäudes hatten die Klassenlehrer schon damit begonnen, die Schüler der ersten Klassen aufzurufen. Gleich würde der Unterricht anfangen und er musste vorher noch mit Jana reden. Er musste zu ihr, egal, was passierte. »Mach dir nicht so viele Gedanken, Erik. Ich kann auf mich aufpassen.«
Ohne die Reaktion seines Freundes abzuwarten, lief er zu dem wunderschönen Mädchen hinüber, das neben dem schmiedeeisernen Tor auf ihn wartete.
Kapitel 9
Ich dachte schon, du kommst nicht mehr«, begrüßte ihn Jana ernst. »Was hat Erik gesagt?«
»Er hat mich vor dir gewarnt.« Unwillkürlich musste Alex lächeln. »Wir sind schon ewig befreundet und manchmal führt er sich auf, als wäre er mein großer Bruder.«
So nahe bei Jana brannte das Tattoo wie glühendes Eisen. Aber noch unerträglicher als der Schmerz war der Drang, sie zu berühren, ihr über die zarten, kühlen Wangen zu streichen.
»Erik mochte mich noch nie.« Jana seufzte. »Keine Ahnung, warum. Ich hatte nie Streit mit ihm oder so.«
»Vielleicht hat er Angst vor Hexen!« Als Alex sah, wie Jana die Stirn runzelte, bereute er seine Worte sofort. Aber es war zu spät. »Na ja, ich habe mit David geredet«, versuchte er hastig zu erklären. »Ich wollte mehr über das Tattoo wissen. Er hat mir von eurer Familie erzählt. Von den Agmar-Zauberinnen.«
»Darüber solltest du keine Witze machen. Das sind meine Vorfahren: meine Mutter und meine Großmutter und meine Urgroßmutter… Was sie an uns weitergegeben haben, ist alles andere als lächerlich, das kannst du mir glauben. Im Gegenteil – es wäre wahrscheinlich besser, wenn du ein bisschen Angst vor uns hättest. So wie dein Freund Erik.«
Alex hielt ihrem gekränkten, fast schon feindseligen Blick stand. »Tja, tut mir leid«, erwiderte er sanft. »Egal, wer du bist, ich vertraue dir.«
Augenblicklich wurde Janas Gesichtsausdruck weicher. »Eigentlich dürfte uns niemand ›Hexen‹ nennen«, erklärte sie. »Wir geben nur ein paar spirituelle Techniken weiter, die der Rest der Menschheit vergessen hat.«
»Woher weiß Erik eigentlich so viel über deine Familie?«
»Bestimmt von David«, antwortete Jana, ohne zu zögern. »Du hast ja selbst erlebt, dass er Geheimnisse nicht gut für sich behalten kann. Bevor mein Bruder von der Schule geflogen ist, haben die beiden sich ziemlich gut verstanden.«
Sie improvisierte, und zwar ziemlich geschickt. Aber Alex nahm jedes Detail an ihr wahr, jedes Blinzeln, jede Modulation ihrer Stimme, jede Veränderung, so fein sie auch war. Sie log. »Seltsam. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass sie Freunde waren«, sagte er so beiläufig wie möglich. »Aber Erik hat immer so viele Leute um sich, dass ich es vielleicht gar nicht gemerkt habe. Wusstest du, dass er sich so stark für Tattoos interessiert?«
Eigentlich hatte er auch noch das mit dem neuen Tattoo sagen wollen, aber er spürte, dass es besser war, sich vorsichtig heranzutasten.
Der Duft nach Kräutershampoo in Janas Haar machte ihn verrückt. Es fiel ihm immer schwerer, sich auf das Gespräch zu konzentrieren.
Inzwischen hatte sich der Schulhof auffällig geleert, viele Schüler befanden sich schon in den
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