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Visionen Der Nacht: Der Tödliche Bann

Visionen Der Nacht: Der Tödliche Bann

Titel: Visionen Der Nacht: Der Tödliche Bann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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sondern ging geradewegs nach oben.
    Gabriels Tür war verschlossen. Das hätte sie sich denken können. In kürzester Zeit war es ihr gelungen, zwei der drei Menschen, die sie vor Mr Zetes in Schutz genommen hatten, vor den Kopf zu stoßen. Sie konnte das Trio ebenso gut vervollständigen, philosophierte sie, und ging in das Zimmer, das sie sich mit Lydia teilte.
    Doch Lydia ließ sich weder vor den Kopf stoßen, noch wollte sie überhaupt mit Kaitlyn sprechen. Sie lag im Bett, die Decke über den Kopf gezogen. Ob sie beleidigt war oder einfach nur Angst hatte, wusste Kaitlyn nicht. Jedenfalls wollte sie partout nicht mit ihr reden.
    So was von launisch, dachte Kait.
    Es war ein langer, öder Abend. Kait hörte, wie die anderen die Treppe hochstapften und sich auf ihre Zimmer verteilten. Dann dröhnte aus einem Zimmer der Fernseher, aus dem anderen kreischte laute Musik. Der Lärm störte Kaitlyn bei der einen Sache, die wirklich entspannend auf sie wirkte: dem Malen.

    Auch das Zimmer deprimierte sie. Ihre alten Sachen waren verschwunden. Offenbar hatte man sie weggeworfen, als die neuen Bewohner kamen. Annas Rabenmaske lag noch in einer Ecke. Kait wagte es nicht, sie wieder an ihren angestammten Platz zu hängen.
    Schließlich beschloss sie, ein Bad zu nehmen und Lydias Beispiel zu folgen. Sie badete ausgiebig und kuschelte sich dann ins Bett. Dort konnte sie sich aufs Denken konzentrieren.
    Bilder vom vergangenen Tag schwebten ihr durch den Kopf. Die Fratze des rothaarigen Mannes, Gabriels Gesicht in der Morgendämmerung, Mr Zetes im Mantel.
    Ich muss Pläne schmieden, dachte sie. Ich muss Rätsel lösen. Herausfinden, wie ich an den Kristall komme. Doch sie konnte sich nicht konzentrieren, sondern sprang ständig von einem Gedankenfetzen zum andern.
    Joyce hat mich verteidigt … Ich habe die Betrügerin betrogen. Und überzeugt hat sie meine Behauptung, dass Rob und ich uns getrennt haben … weil Rob Anna liebt.
    Was für eine Vorstellung. Merkwürdig. Und Gabriel ist auch darauf reingefallen.
    Sie musste wohl sehr müde sein, denn wieder sprangen ihre Gedanken weiter, und ihre Gedankengänge wurden immer unlogischer. Ich hoffe, Gabriel ist nicht wirklich wütend auf mich. Ich brauche ihn. Oh Gott, was ich ihm alles gesagt habe …

    War das falsch? Ihm vorzumachen, dass ich ihn liebe? Aber es war eigentlich gar keine Lüge. Ich mag ihn wirklich …
    So sehr wie Rob?
    Das war ein ketzerischer Gedanke, und plötzlich war sie wieder hellwach. Sie merkte, dass sie schon halb geträumt hatte.
    Aber der Gedanke verließ sie nicht.
    In Kanada hatte sie erfahren, dass Gabriel sie liebte, sie auf eine verletzliche, kindliche Art liebte, die sie ihm nie zugetraut hätte. Doch sie hatte es gesehen, es in seinem Innern gespürt. Er hatte sich ihr völlig geöffnet, war voller Wärme, voller Freude gewesen …
    … genau wie heute Morgen, flüsterte eine Stimme in ihr.
    Aber in Kanada hatte sie ihn nicht geliebt. Oder zumindest war sie nicht verliebt gewesen.
    Man konnte nicht zwei Leute gleichzeitig lieben. Das ging doch nicht …
    Wirklich nicht?
    Plötzlich war Kaitlyn eiskalt. Ihre Hände waren kalt, das Gesicht war kalt. Als hätte jemand in ihr ein Fenster geöffnet und einen kalten Polarwind hereingelassen.
    Wenn ich Gabriel liebe … wenn ich beide liebe …
    Wie soll ich mich da entscheiden?
    Wie soll ich mich entscheiden?
    Die Worte klangen so laut in ihrem Kopf, dass sie die Geräusche in ihrem Zimmer zunächst gar nicht bemerkte.
Erst, als ein Schatten an der Wand neben ihr auftauchte, schreckte sie auf.
    Entsetzen erfasste sie. Einen Augenblick dachte sie, es sei Mr Zetes – doch dann sah sie Gabriel neben ihrem Bett stehen.
    Oh Gott, hatte er ihre Gedanken gehört? Sie suchte nach ihren Schutzschilden und musste feststellen, dass keine da waren. Sie war völlig ausgebrannt.
    Doch Gabriel lächelte sie unter schweren Augenlidern an. Nie hätte er so gelächelt, wenn er sie belauscht hätte. »Willst du jetzt den Balkon ausprobieren?«, fragte er.
    Kaitlyn sah ihn perplex an. Langsam fand sie ihre Fassung wieder. Er sah besonders gut aus und gefährlich wie die Nacht. Eine geradezu magnetische Anziehungskraft zog sie zu ihm hin.
    Aber sie war erschöpft. Schutzlos. Und sie hatte gerade erst entdeckt, in was für einer Krise sie steckte. Einer Krise, die ihre ganze Welt zum Einsturz zu bringen drohte.
    Ich kann nicht mit ihm gehen. Es wäre Wahnsinn.
    Die Anziehungskraft wurde immer stärker. Sie brauchte Halt.

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