Visionen Der Nacht: Der Tödliche Bann
mit einem »Aahhh« quittieren.
Kaitlyn bemühte sich um einen wirren Gesichtsausdruck. Sie starrte ihn mit einem Blick an, der an eine menschliche Made erinnern sollte. Sie fragte sich, ob sie es mit dem »Muh, muh, muh« versuchen sollte, doch sie hatte Angst, dass sie es nicht richtig hinbekommen würde. Stattdessen probierte sie Sashas Grinsen aus.
Es war offensichtlich, dass es nichts nützte. Mr Zetes war ein Experte, was Verrückte anging – er sammelte sie sozusagen. Seine Augen weiteten sich, dann kniff er sie wieder zusammen und musterte Kaitlyn durchdringend. Sie hätte schwören können, dass sie irgendwo in der Tiefe seiner Pupillen ein rotes Glimmen sah.
Dann zog er die weißen Augenbrauen über der Adlernase zusammen, und seine Lippen bildeten eine bittere, verächtliche Linie. Er stützte sich auf den Spazierstock mit dem goldenen Knauf wie ein biblischer Urvater. Nur, dass er aussah wie El Diablo, El Gato, Satan.
»Es ist gescheitert«, sagte er. »Warum?«, fragte er Joyce.
»Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung.« Sogar Kaitlyn hörte die Erleichterung aus der zittrigen Stimme heraus. Joyce drückte Kaitlyn leicht mit der Hand, die sie ihr auf den Rücken gelegt hatte, ohne dass Mr Zetes es sehen konnte.
»Das Mädchen hat versucht, uns zu vernichten. Nicht einmal, sondern immer wieder.« Auch Mr Zetes’ Stimme zitterte, allerdings vor unterdrückter Wut.
Joyce richtete sich auf. »Ich hatte nichts damit zu tun, Emmanuel. Ich weiß nicht, warum sie das so gut überstanden hat. Aber nun, da es so ist … «
In Mr Zetes ging im Bruchteil einer Sekunde eine sichtbare Veränderung vor. Hatte ihn kurz zuvor noch satanische Wut beherrscht, so glätteten sich seine Züge zusehends. Fast wie bei einer Knetfigur im Fernsehen, dachte Kaitlyn. Er hatte sich wieder im Griff. Seine Lippen verzogen sich zu einem grimmigen Lächeln.
»Tja, da es nun mal so ist, müssen wir eben eine andere Lösung finden«, erklärte er. »Der Kristall wird den Rest erledigen.«
Kaitlyn drehte sich der Magen um. Sie blickte Gabriel an, der mit Renny, Schakal Mac und Lydia hinter Mr Zetes stand. In diesem Moment hörte sie eine Stimme.
Kaitlyn? Kaitlyn, hier ist Rob. Sind wir schon in deiner Reichweite?
Rob! Gott sei Dank, Rob, du kommst gerade rechtzeitig, Gott sei Dank.
Sie hörte auch Gabriels Reaktion. Verzweifelte Erleichterung.
Rob, wo bist du?, wollte Kaitlyn wissen.
An der Straßenecke. Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Hast du Ärger?
Und wie wir Ärger haben! Rob, beeilt euch besser.
In diesem Moment hörte sie Gabriel sagen: Wenn ihr es schafft, sie abzulenken, kann ich Kaitlyn vielleicht hier rausholen.
Dann konzentrierte sich Kaitlyn wieder auf ihre Umgebung. Frost hatte sie auf Mr Zetes’ Befehl gepackt und schloss gerade die silberfarbenen Fingernägel um ihr Handgelenk.
»Mr Zetes, ich weiß, wie sie es gemacht hat!«, kreischte Frost. Ihre Stimme war klirrend und scharf vor Gehässigkeit. »Sie redet mit ihnen! Gerade eben hat sie mit ihnen geredet. Sie hat Angst, dass sie geschnappt werden, denn sie kommen genau hierher!«
Kaitlyn zog die Hand weg, als hätte sie glühende Kohlen berührt. In ihr explodierte ein unbändiger Zorn. Sie holte aus und schlug Frost, so hart sie nur konnte, auf die Wange.
Gabriel dagegen bewahrte einen kühlen Kopf. Sie hörte, wie er Rob warnte. Bleibt, wo ihr seid! Sie haben euch gerade entdeckt! Kommt nicht ins Haus!
»Schnell«, sagte Mr Zetes. Sein Lächeln wirkte entzückter denn je. Er rollte die Worte im Mund, als genieße er jedes einzelne. »John, Laurie, Paul – ihr begleitet Kaitlyn nach unten, bitte. Alle anderen kommen mit. Beeilt euch. Das dürfte wahrhaft interessant werden.«
Kaitlyn versuchte, Mac, Frost und Renny abzuschütteln, doch sie war einfach zu schwach. Sie machte ihnen mehr Mühe, wenn sie sich einfach fallen ließ wie ein Sack.
Auch Gabriel wehrte sich nicht – wahrscheinlich waren es einfach zu viele, dachte Kaitlyn. Doch sie verstand nicht, warum er so weit zurückfiel und als Letzter zur Kellertreppe ging. Sie versuchte, einen Blick auf ihn zu erhaschen, während die drei sie mit nach unten schleiften, doch sie konnte ihn nicht mehr sehen.
»Ich will ihn selber umbringen! «, schrie Gabriel von oben. Kaitlyn überfiel erneut das Entsetzen. Was, wenn der Kristall Gabriel so verrückt gemacht hatte wie die anderen? Und wenn sein Wahnsinn erst richtig ausbrach?
Gabriel …
Er gab ihr keine Antwort. Vielleicht,
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