Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe
gerade über Tische und Bänke geht.
Mr. Zetes trug wieder seinen schwarzen Mantel und wurde von den beiden Rottweilern begleitet.
»Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte er Joyce, die sich rasch das blonde Haar glatt strich.
»Es gibt da ein kleines Problem. Gabriel hat Schwierigkeiten gehabt …«
»Wie es aussieht, gilt das auch für den jungen Mann hier«, bemerkte Mr. Zetes trocken. Er betrachtete zuerst Sid und dann Joyce.
»Ich wollte gerade einen Krankenwagen rufen«, sagte sie. »Marisol, würdest du bitte …«
»Das wird nicht nötig sein«, unterbrach sie Mr. Zetes. »Ich nehme ihn im Auto mit.« Er drehte sich zu Gabriel, Rob und Kaitlyn um, die noch vor dem Stahlraum standen. »Ihr anderen könnt eine Pause einlegen«, sagte er.
»Ja, geht nur«, sagte Joyce, noch immer verlegen. »Die Tests sind für heute beendet. Marisol, würdest du bitte Fawn nach Hause bringen? Und … vergewissere dich bitte, dass sie das alles nicht zu sehr mitgenommen hat.«
Marisol verschwand mürrisch wie eh und je im vorderen Labor. Gabriel folgte ihr mit den geschmeidigen, raumgreifenden Schritten eines Wolfes. Robs Blick verharrte auf dem Studenten. Er zögerte.
»Kann ich vielleicht helfen?«
»Nein, danke, Rob. Wenn du etwas zu Mittag essen möchtest: Es ist Aufschnitt im Kühlschrank«, sagte Joyce so bestimmt, dass Rob nichts anderes übrig blieb, als zu gehen.
Kaitlyn folgte ihm. Sie verharrte jedoch noch kurz im Flur und tat so, als wolle sie die Tür sehr leise hinter sich schließen. Es war pure Neugier. Sie wollte wissen, ob Mr. Zetes Joyce die Leviten las.
Doch er fragte nur: »Wie lange?«
»Etwa 45 Sekunden.«
»Ah.« Es klang fast anerkennend. Kaitlyn erhaschte noch einen Blick auf Mr. Zetes, der mit dem Spazierstock gedankenverloren auf den Boden klopfte. Dann musste sie die Tür schließen.
Gabriel war bereits auf sein Zimmer gegangen. Marisol und Fawn verließen gerade das Haus. Fawn sah sich noch einmal sehnsüchtig zu Rob um. Der wiederum starrte abwesend in den Flur und biss sich auf die Lippen. Lewis sah verwirrt vom einen zum anderen, und Anna streichelte eine weiße Maus, die auf ihrer Hand saß.
»Wo hast du die denn her?«, fragte Kaitlyn. Es war Zeit, dass jemand die Stille durchbrach.
»Sie gehörte zu meinem Experiment. Siehst du die Schachtel hier? Sie hat nummerierte Löcher, und ich muss dafür sorgen, dass die Maus durch ein bestimmtes
Loch geht. Die Nummer erscheint auf dem Monitor. «
»In dem Loch muss ein Sensor sein, der registriert, ob es das richtige war«, sagte Lewis.
Anna nickte etwas abwesend. Ihr Blick ruhte auf Rob. »Mach dir keine Sorgen.«, sagte sie. »Joyce und Mr. Zetes werden sich schon um den Armen kümmern. Es wird alles gut.«
»Ja, aber wird sich Mr. Z auch um Gabriel kümmern? «, fragte Lewis. »Das ist doch die Frage.«
Kaitlyn musste lächeln. »Mr. Z?«
»Klar. Kurz für ›Mr. Zetes‹.«
»Ich finde es nicht gut, dass er hier ist«, sagte Rob nachdenklich. »Gabriel, meine ich. Ich glaube, er macht nichts als Ärger.«
»Mich würde wirklich interessieren, was er da eigentlich treibt«, sagte Kaitlyn. »Aber ich glaube nicht, dass Joyce es uns sagen wird.«
»Gabriel hat ein Recht auf Privatsphäre, wenn er es so wünscht«, sagte Anna sanft und setzte die Maus in den Käfig. »Ich finde, wir sollten uns ein bisschen Ablenkung verschaffen. Wir haben den Nachmittag frei. Da könnten wir doch in die Stadt gehen oder den Gemeinschaftsraum oben fertig einräumen.«
Wie immer beruhigte Anna Kaitlyn mit ihrer ausgeglichenen Art. Die Gelassenheit des indianischen Mädchens wirkte ansteckend.
»Dann machen wir doch das Zimmer fertig«, sagte Kaitlyn. »Wir können uns etwas zum Essen mit hochnehmen. Ich mache uns ein paar Brote.«
»Ich helfe dir«, sagte Rob, und Kaitlyns Herz machte einen Hüpfer.
Was sage ich nur, was sage ich nur?, dachte sie, als sie in der Küche standen. Lewis und Anna waren nach oben gegangen. Sie und Rob waren allein.
Zumindest wusste sie, was zu tun war, denn sie war es gewohnt, die Mahlzeiten für ihren Vater zu richten. Sie schraubte Gläser auf und holte Wurst und Käse aus dem Kühlschrank. Es war typisch kalifornischer Aufschnitt: Putenwurst und kaltes Huhn, kalorienreduzierte Salami und Hartkäse.
Rob stand offenbar auch nicht zum ersten Mal in der Küche. Doch er wirkte abwesend, als habe er anderes im Kopf.
Kaitlyn hielt die Stille nicht mehr aus. Ohne weiter nachzudenken, sagte sie: »Manchmal frage
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