Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
ausschmückt.
Vorzugsweise so lange, bis nicht mehr ein Fitzelchen Wahrheit dabei ist.
„ Was wird er ihnen erzählen?“
Selbst meine Gedankenstimme bebt.
„ Die geschönte Kurzfassung.“
„ Es ist richtig, dass Kim bis vor Kurzem noch einen anderen Nachnamen hatte“, erklärt Vic und ich bin ihm einmal mehr dankbar dafür, dass er ihn nicht ausspricht. „Fakt ist: Unsere Mutter war bei unserer Geburt sehr jung. Sie hat uns zur Adoption freigegeben und wir kamen zu unterschiedlichen Eltern.“
Ich habe meine Augen fest geschlossen, weil ich weiß, dass ich die mitfühlenden Blicke meiner Mitschüler nicht ertragen kann, ohne in Tränen auszubrechen.
„ Bis vor einem Jahr wusste unser leiblicher Vater nicht, dass es uns gibt. Als er jedoch davon erfuhr, hat er sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt, uns zu finden … was ihm letztendlich auch gelungen ist.“
„Wie aufregend.“
„Wahnsinn.“
„Wie romantisch.“
Die Stimmen um mich verschwimmen in einem unverständlichen Murmeln, bevor ich die Stimme meines Bruders wieder klar und deutlich höre.
„Das ist im Wesentlichen alles, was Sie wissen müssen, meine Damen und Herren. Und ich hoffe, nein, ich wünsche , dass Sie meine Schwester nicht mit weiteren Fragen bestürmen werden! Und jetzt denke ich, dass Sie Mrs. Pennyfoxs wunderbares Abendessen ebenso sehr genießen werden, wie ich.“
Nur, um allen Eventualitäten vorzubeugen, verlässt Vic mit schnellen Schritten die Bühne und kommt sofort in unsere Richtung.
Dass alle Augen ihm folgen, registriert er mit fest aufeinander gepresstem Kiefer.
Kaum, dass er bei uns angekommen ist, werfe ich mich an seine Brust.
„Danke“, schluchze ich und er reibt mir tröstend über meinen Rücken.
Im Moment bin ich wirklich dankbar. Allerdings weiß ich, dass die Frage, vor der ich mich wirklich fürchte, ja noch gar nicht gestellt wurde.
Wenn Miriam - denn sie wird es sein, die so lange bohren wird, bis alles ans Tageslicht gezerrt wird - herausfindet, dass Phil (also unser Dad) und Selena/Miss Viola (also Kays Mom) zusammen sind ...
„Oh Mann“, flüstert Vic und ich bin gezwungen, genau hinzuhören, denn meine Ohren sind nicht so gut wie seine, „ich habe zwar eine ungefähre Vorstellung davon gehabt, was hier abgeht, aber diese Hyäne ist wirklich gnadenlos.“
Er erntet zustimmendes Nicken von unserer kleinen Clique.
Ich schniefe noch einmal laut und vernehmlich, dann beeile ich mich, Vic mit meinen Freunden bekannt zu machen.
„Vic, das ist meine Rheena.“
Ich ziehe meine beste Freundin zu mir und strahle meinen Bruder an.
Dann lächle ich und deute auf die anderen drei. „Lily, ihre Schwester, Greg und Zac.“
Vic reicht jedem die Hand.
Irre ich mich, oder hält er Rheenas Hand ein wenig länger, als die der anderen?
„ Freut mich, euch kennen zu lernen“, sagt er freundlich, „und es wäre nett, wenn ihr mich Vic nennen könntet … zumindest dann, wenn der Rest der Meute nicht dabei ist!“
Diese Notwendigkeit ist für uns alle nachvollziehbar.
Daher wird Vics Angebot freudig und mit verschwörerischer Miene angenommen.
Selbstverständlich bleibt Vic auch im Speisesaal an meiner Seite.
Da unsere Mitschüler noch alle in kleinen Grüppchen zusammenstehen und darüber tratschen, was sie gerade Neues erfahren haben, schaffen wir es wider Erwarten und sichern uns alle gemeinsam den einzigen Tisch, an dem es möglich ist, zu siebt zu sitzen.
Jepp – die Eckbank gehört mir ;)
10)
„ W as ist los?“
Rheena und ich sitzen auf ihrem Bett und quatschen schon eine Stunde lang über alles und jeden, wobei wir es bisher erfolgreich vermieden haben, das Gespräch in Richtungen zu lenken, die uns auch nur annähernd an unsere letzten Wochen auf Castillian erinnern könnten.
Ich weiß, dass sie über Tiger noch nicht hinweg ist und nichts liegt mir ferner, als sie mit Erinnerungen zu quälen. Ihr lockerer Spruch vorhin in der Turnhalle konnte mich nicht wirklich täuschen.
Auch wenn mein kleines außer-körperliches Erlebnis eine deutlich andere Sprache spricht!
Lily hat sich als ebenso umsichtig wie großartig erwiesen und hat sich ohne großes Brimborium Kay, Greg und Zac angeschlossen, um gemeinsam mit ihnen im Aufenthaltsraum Monopoly zu spielen.
„Quatscht ihr beiden nur mal“, hat sie gesagt und uns dann lächelnd alleine gelassen.
„Also, was ist jetzt?“
Rheena sieht mich aufmerksam an. Warum nur gelingt es mir nicht, ein nichtssagendes Pokerface
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