Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
finde es absolut ausreichend, wie nahe wir uns kennen.“
Inzwischen haben die beiden die Aufmerksamkeit der anwesenden Mitschüler auf sich gezogen und Miriam kann sich unmöglich einfach zurückziehen, wenn sie sich nicht der Lächerlichkeit preis geben will.
Also tut sie das, was sie am besten kann: sie versprüht ihr Gift!
Natürlich verpackt in scheußlich süße Schmeichelei.
„ Aber ich versteh dich nicht, Greg“, säuselt sie, „gibt es denn gar nichts, was dich außer Büchern sonst noch interessiert?“
„ Nein.“
„Ach komm“, kichert Miriam eine Spur zu laut, „das nehm' ich dir nicht ab.“
Greg ist anzusehen, dass er diesem „Gespräch“ gerne ein Ende bereiten möchte. Allerdings hindert ihn seine gute Erziehung daran, Miriam einfach stehen zu lassen.
„Miriam“, sagt er ruhig, „komm endlich zur Sache, damit ich weiter lernen kann!“
„Magst du mich nicht?“
„ Nein.“
„ Gar nicht?“
„ Nein.“
Miriam wird blass. Dieses Gespräch hat eine gänzlich andere Richtung genommen, als von ihr geplant.
Sie hatte es sich so leicht vorgestellt, den blassen, rothaarigen Nerd für sich einzunehmen und ihn dann mit einem überheblichen Grinsen in die Schranken zu weisen.
Dass Greg es wagen würde, sie auflaufen zu lassen, macht sie fuchsteufelswild.
Allerdings fällt ihr auf die Schnelle nichts ein, womit sie ihn vor der versammelten Mannschaft lächerlich machen könnte.
Und dass die Mehrheit der anwesenden Schüler auf Gregs Seite steht, ist unübersehbar.
„ Warum?“
Miriam unternimmt einen letzten Versuch, um Zeit zu schinden. Sie muss unbedingt etwas finden, mit dem sie Greg den finalen Stoß versetzen kann.
Jetzt ist es allerdings mit Gregs Selbstbeherrschung vorbei.
„Glaub mir, Miriam, wenn ich alles aufzählen würde, was mir an dir nicht gefällt, säßen wir noch in einer Stunde hier. Allerdings habe ich nicht vor, meine Zeit mit solchen Nichtigkeiten zu vertun. Ich muss lernen.“
Gregs Worte treffen Miriam tatsächlich so hart, dass sie für einen winzigen Augenblick ihre Maske absetzt und ihre Unsicherheit erkennbar wird.
„ Was müsste ich denn tun, um dir zu gefallen?“
Greg erhebt sich von seinem Stuhl, greift nach seinem Buch und geht Richtung Ausgang.
Die Blicke aller sind auf ihn gerichtet.
Kurz vor der Tür bleibt er stehen und dreht sich zu Miriam um.
„Wie ich bereits gesagt habe, Miriam, gibt es viel zu viel, was du an dir und deinem Verhalten ändern müsstest … aber eine Geschlechtsumwandlung wäre schon mal ein Anfang ...“
***
„ Wie cool ist das denn?“
Rheena und ich hocken noch immer auf ihrem Bett und ich habe knallrote Wangen vor Aufregung. „ Das hat er wirklich und wahrhaftig gesagt? Einfach so? Ohne dabei an mögliche Konsequenzen zu denken?“
Meine Freundin nickt zu jeder einzelnen meiner Fragen.
„ Boah, ich bin ja so stolz auf Greg“, sage ich enthusiastisch, „und ich wäre so gerne dabei gewesen.“
„Ja“, lacht Rheena, „es war eine großartige Show.“
„Und keiner hat sich daran gestört, dass er sich sozusagen geoutet hat?“
Rheena schüttelt den Kopf. „Nein, in diesem Moment wurde uns allen bewusst, dass Greg sich durch nichts und niemanden verbiegen lassen würde. Einige der Jungs schämten sich, dass sie nicht ebenso viel Rückgrat bewiesen, wie Greg.“
„Wie hat Miriam reagiert?“
Das muss ich natürlich noch wissen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das unvorhergesehene Ende dieses Gesprächs einfach so hingenommen hat.
Rheena sieht mich grinsend an.
„Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis sie überhaupt geschnallt hat, was Greg da gesagt hat.“
Ja, war ja klar.
„ Als sie es dann gerafft hat, hat sie schrill gelacht und gerufen Schwul? Er ist schwul? “
Ich sehe Miriam deutlich vor mir, so überzeugend ahmt Rheena deren kreischend-schrille Stimme und Theatralik nach.
Mein Kichern vergeht mir allerdings schlagartig, als ich die leisen Worte höre.
„ Keiner hat reagiert, bis auf Sandy.“
Tränen funkeln in Rheenas Augen und ich möchte mir am liebsten selbst in den Hintern treten, weil ich nachgehakt habe.
„Es tut mir leid“, flüsterte ich und nehme meine Freundin tröstend in den Arm.
Rheena schnieft und schüttelt den Kopf.
„Muss es nicht, Kim. Es konnte ja keiner ahnen, dass Miriam nur auf eine gute Gelegenheit gewartet hat, um es ihr heimzuzahlen.“
Doch – hätte man!
„ Was hat sie denn nun gesagt?“
Neugier bringt die Katze um!
„ Sie
Weitere Kostenlose Bücher