Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
Dad anrufen muss.
Oder, noch blöder, sie soll doch warten, bis Kay und unser Direx wieder kommen.
Wie hört sich denn das an?
„ Ich bin unterwegs, Baby!“
Ich atme auf, als ich Kays Stimme vernehme.
„ Worauf wartest du denn noch?“, jammert Rheena. „Ich habe keine Käsefüße.“
„ Ähm … entschuldige“, nuschele ich.
„Nun mach schon endlich“, fleht Rheena, „diese Scheißsocken schneiden mir ins Fleisch. Und das tut wirklich verdammt weh.“
Als eine Träne über ihre bleichen Wangen rollt, kann ich nicht mehr anders und schreite zur Tat.
Ganz langsam fasse ich mit spitzen Fingern unter den Bund und schiebe vorsichtig den Strumpf über den unförmigen Knöchel.
Rheena hat die Augen geschlossen und hält die Luft an.
Zum Glück!
Denn als meine Fingerspitzen über Rheenas Außenknöchel streifen, passiert genau das, was ich befürchtet habe.
Meine dämlichen Finger beginnen zu leuchten.
Fuck, ich sehe aus wie E.T.!
Nach Hause telefonieren …
Rheena seufzt vor Erleichterung.
Mich überfällt Panik.
Was, wenn Kay jetzt mit Direktor Baker hereinkommt?
„ Kim? Was ist los bei euch?“
„ Oh Gott, Kay, es tut mir so leid … bitte, ich kann nichts dafür … ich erklär's dir später, ja?“
Wäre ich nicht so neben der Spur, hätte ich von selbst darauf kommen können, dass Kay spürt, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Vermutlich weiß er sogar ganz genau, was hier gerade passiert.
Erleichtert registriere ich, dass das Leuchten meiner Finger nur mehr ein sanftes Glimmen ist, und kurz darauf vollkommen verschwindet.
Nicht auszudenken, was hier los wäre, wenn ich, beziehungsweise mein Körper, dieser Verräter, so reagieren würde, wie bei der Sache mit Vic.
Rheena im Tiefschlaf … und ich, wie ich mich in einer Art epileptischem Anfall auf dem Fußboden winde!
Ich atme tief durch.
„ Alles klar, Kay!“
Eine Sekunde später rauscht Direktor Baker mit Kay im Schlepptau ins Zimmer.
„ Was ist denn …?“
„Psst!“
Unser Direx sieht mich ungläubig an, weil ich ihm so ungehörig ins Wort falle.
„ Sie schläft“, erkläre ich und ziehe den perplexen Mann nach draußen auf den Flur, nachdem ich Kay einen bettelnden Blick zugeworfen habe.
„ Aber, aber wie kann sie denn … hat sie denn nicht schreckliche Schmerzen? So schilderte es zumindest Mr. Monroe noch vor wenigen Minuten.“
„Ja, die hat sie auch. Vielleicht ist das eine Schutzfunktion von Rheena. Wenn etwas zu sehr weh tut, schläft sie einfach ein ...“
Ich kichere dämlich. Schließlich weiß ich selbst, wie bekloppt sich das anhören muss.
Direktor Baker hebt eine Augenbraue.
„ Nun, wenn Sie meinen, Miss Prescott“, sagt er etwas pikiert, „wenn sie erwacht, möchte ich sofort benachrichtigt werden. Sie muss unbedingt in ein Krankenhaus zum Röntgen. Das ist nach einem Schulunfall Vorschrift.“
Ich nicke. „Das verstehe ich vollkommen, Mr. Baker“, sage ich artig, „und ich werde Ihnen sofort Bescheid sagen, wenn Rheena wieder wach wird.“
„Gut, danke.“ Unser Direktor wendet sich zum Gehen. „Ähm, werden Sie dann mit zur Klinik fahren?“
„Oh … ich glaube, das würde Rheenas Schwester dann tun wollen, Mr. Baker. Vielleicht können wir Lily ja jetzt aus dem Sportunterricht holen, damit sie bei Rheena bleiben kann.“
Die Idee kommt mir spontan und ich hoffe von ganzem Herzen, dass er darauf eingeht. Viel länger halte ich diese Aufregung nämlich nicht mehr aus.
Unser Direktor nickt … und ich könnte ihn glatt knutschen.
„ Ich werde es veranlassen“, sagt er und geht.
Danke, danke, danke!
Ich muss jetzt nur noch weg … weder möchte ich dabei sein, wenn Rheena ohne Schmerzen aus ihrem Heilschlaf erwacht, noch wenn die Ärzte in der Klinik auf der Röntgenaufnahme die Spontanheilung eines erst kürzlich zugezogenen Bänderrisses feststellen werden.
Bin ich feige?
Ja ... und realistisch!
Denn auch wenn mich die Kliniker einen feuchten Kehricht scheren, weiß ich, dass ich Rheena Rede und Antwort stehen muss … und sie wieder einmal belügen werde.
13)
M eine Hände sind schon wieder rotglühend.
Dieses Mal allerdings ist das kochend-heiße Wasser schuld, unter das ich diese verräterischen Körperteile halte.
Zumindest tue ich das, wenn ich den weichen Vorleger vor meinem Bett nicht gerade traktiere, indem ich erfolgreich den weichen Flor niedertrampele.
„ Was tust du da, Baby?“
Kays verständnisvolle Stimme dringt an mein Ohr und ich
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