Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
nachvollziehen.
Er sollte mich doch gut genug kennen.
Wenn einer weiß, wie sehr ich mich in den letzten Wochen verändert habe, dann doch wohl Kay.
Inzwischen falle ich nicht mehr bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Ohnmacht.
Es gelingt mir immer mehr, mich durchzusetzen und wenn ich dumm angemacht werde, bin ich durchaus dazu im Stande, demjenigen Paroli zu bieten.
Dazu muss ich allerdings wissen, wer das ist.
Wenn ich schon kämpfen muss, dann lieber gegen einen Feind, den ich kenne!
„ Willst du den Spind so lange anstarren, bis er von alleine aufgeht?“
Rheena und Lily stehen bereits fix und fertig in ihren Sportklamotten vor mir.
Mit einem dümmlichen Grinsen schüttele ich den Kopf, um ihn frei zu bekommen.
Dass auch meine Freundin sich Sorgen um mich macht, muss ja nun wirklich nicht sein.
Hastig öffne ich den Spind, zerre die Sportsachen raus und ziehe mich in Windeseile um.
„ Hey“, Rheena nimmt mich in den Arm, „mach dir keine Sorgen, Süße, ja? Wenn tatsächlich irgendwas im Busch ist, kriegen wir es raus.“
Zu spät … ich wusste es.
Ich blinzele meine Freundin träge an. Dann nicke ich vorsichtig.
„ Denk dran, du bist nicht alleine in deinem Kampf gegen Miriam“, schiebt Lily nach und mir gelingt ein zaghaftes Grinsen.
„ Genau“, stimmt Rheena ihrer Schwester zu, „außerdem bist du nicht mehr das verhuschte Mäuschen von vor ein paar Wochen. Du hast dich verändert, bist stärker, selbstbewusster geworden. Also, lass dich bitte nicht von Gedanken an irgendwelche Gemeinheiten beeinflussen, von denen du noch nicht mal weißt, ob sie überhaupt jemals geschehen werden.“
Rheena hat Recht.
Ich weiß tatsächlich nicht, ob und was und überhaupt …
Aber ich habe dieses Radar, dass mich bisher noch nie im Stich gelassen hat. Und das sagt mir, dass etwas passieren wird.
Egal, wie viel Mühe sich Kay auch geben mag, es vor mir zu verheimlichen.
Ich weiß nur noch nicht, was geschehen wird!
„ Okay“, sage ich seufzend, „ihr habt Recht. Ich sollte mich nicht um ungelegte Eier kümmern.“
„Sag' ich doch“, kichert Rheena.
Die Schwestern nehmen mich in ihre Mitte und mit nur fünf Minuten Verspätung erscheinen wir in der Turnhalle.
12)
U nsere Mitschüler sind bereits mitten im Aufwärmtraining. Jedenfalls die meisten.
Miriam und Moskito stehen an der Seite und diskutieren darüber, welche Form und Länge ihrer Nägel wohl zu der von ihnen gewählten Farbe ihres Nagellacks besser passt.
Währenddessen helfen Kay und einige der Jungs Vic dabei, das große Trampolin herein zu tragen.
„Boah, geil!“, jubele ich, als ich das Sportgerät sehe, „ich wusste schon immer, warum ich den Winter mag.“
„Aber sonst geht’s dir noch gut?“
Rheena sieht mich an, als ob sie an meinem Verstand zweifelt.
„Hey“, lache ich und lasse mich davon nicht aus der Ruhe bringen, „ich mag Geräteturnen. Du etwa nicht?“
„Nicht wirklich“, gibt Rheena zu, „wenn schon Halle, dann Bodenturnen.“
Meine Freundin sieht wirklich nicht sehr begeistert aus.
„Aber du hast jetzt keine Angst, oder so?“, hake ich nach, „weil, wenn das so ist, sag ich Vic Bescheid. Der lässt dich bestimmt ...“
„Nein!“ Rheenas Ausruf unterbricht mich. „Nein, Kim, schon gut. Ich hab keine Angst. Ich mag's nur nicht besonders, das ist alles.“
„Wir können uns ja ganz zum Schluss anstellen, dann ist die Stunde vielleicht um, ehe wir drankommen.“
Ich fühle mich heftig umarmt.
„Danke, Süße, aber, nein danke! Erstens hast du gerade gesagt, wie sehr du Trampolin springen magst. Und ich werde ganz sicher nicht diejenige sein, die dich davon abhält. Und zweitens ...“, Rheenas Blick geht bedeutungsvoll Richtung Ende der sich bildenden Schüler-Schlange, „zweitens ist dieser Platz bereits vergeben.“
Kichernd sehen wir uns Miriam, Moskito und Nelly-Melly-Silvia an, die mit ungewohnter Höflichkeit ihren Mitschülern den Vortritt lassen.
„ Na dann“, sage ich mit leisem Zweifel in der Stimme. Aber die Freude, mich endlich mal wieder richtig austoben zu können, überwiegt, und Rheena, Lily und ich reihen uns ein.
Als Vic uns einige einfache Sprünge demonstriert, die ich alle bereits aus unseren privaten Trainingseinheiten kenne, gestatte ich mir, meine Mitschülerinnen zu beobachten.
Jede einzelne von ihnen hängt mit leicht geöffnetem Mund an meinem Bruder.
Klar sieht er verdammt gut aus.
Sein Sport-Shirt gibt bei jedem
Weitere Kostenlose Bücher