Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
erfahren.“
Ich ringe mir ein verschwörerisches Zwinkern ab.
Das hätte ich wohl besser gelassen, denn jetzt habe ich sie wohl zu noch mehr Schwachsinn ermutigt.
NMS erhebt sich von meinem Bett, von wo aus sie die meiste Zeit über an die Decke gestarrt hat, und kommt auf mich zu.
„Okay“, sagt sie mit einem abgrundtiefen Seufzer, ganz so, als fiele es ihr unendlich schwer, diese Aufgabe an mich abzugeben.
Ich atme erleichtert auf.
Glück gehabt!
„Aber ich muss dich erst noch was fragen.“
„Was denn noch?“
Meine Geduld ist erschöpft und das hört man meinem Tonfall bestimmt auch an – nun ja, jeder andere würde es hören. Außer ihr.
Sie holt gerade Luft, als es klopft. Ihr Kopf ruckt zu Tür.
„Wer kann das sein?“
„Was weiß ich? Vielleicht dein Verstand?“
„Häh?“
Ich kann nicht mehr, bin kurz vorm Durchdrehen.
„Mach einfach die Tür auf!“, fordere ich vehement, „und dann kannst du auch gleich gehen, wenn du schon wieder genügend Kraft für den Rückweg getankt hast!“
Sie zupft an ihrem Minirock herum und setzt sich – dem Himmel sei gedankt – tatsächlich in Richtung Tür in Bewegung.
Dann dreht sie sich noch einmal zu mir um.
„Aber etwas würde ich trotzdem gerne wissen, Kim“, sagt sie und legt ihren Zeigefinger an die Nase, „was geht da vor zwischen dir und unserem Sportlehrer?“
Häh?
Ich weiß zwar nicht, mit was ich gerechnet habe. Ganz sicher jedoch nicht mit dieser Frage.
„Wie meinst du das, Silvia?“
„Nun“, lässt sie sich herab, sichtlich begeistert darüber, dass sie jetzt meine volle Aufmerksamkeit hat, „kein anderer Lehrer ist in einem Schülerzimmer untergebracht.“
„Silvia“, knurre ich unwillig, „er ist ja auch nur als Aushilfe hier. „Vic ist genau so alt wie wir … ganz sicher nicht das übliche Alter eines Lehrers.“
„Ja, das weiß ich“, säuselt sie und ein verträumter Ausdruck huscht über ihr Gesicht.
Na, hätte mich auch gewundert, wenn ausgerechnet Nelly-Melly-Silvia von der allgemeinen Vic-Hysterie verschont geblieben wäre.
„Aber das ist ja nicht alles, oder?“
„Was soll das denn nun wieder heißen?“
Ich schaffe es gerade noch, nicht zu fauchen, als es ein zweites Mal klopft. Dieses Mal nachdrücklicher.
NMS drückt langsam die Türklinke nach unten und schenkt mir ein nachsichtiges Lächeln.
„Hey, für wie blöd hältst du mich eigentlich?“
Das willst du gar nicht wissen!
„Silvia!“ Ich bin aufgestanden, um die verdammte Tür selbst zu öffnen, als sie es endlich tut.
Da sie mich noch immer anstarrt wie eine überfürsorgliche Mutterhenne, bemerkt sie nicht, dass es Kay ist, der im Türrahmen steht. Sein Blick wandert fragend zwischen Silvia und mir hin und her.
Oh Gott! Bitte, sprich nicht weiter!
„Ich wollte dir nur sagen, dass es mir egal ist, wenn du in deinen Bruder verknallt bist. Nicht, dass ich auf sowas stehe … aber hey, ich kann’s dir nicht verdenken.“
Was?
Als hätten sich meine Knochen in gekochte Nudeln verwandelt, sinke ich auf meinen Stuhl, als Nelly-Melly-Silvia sich nach dieser Aussage endlich dazu aufrafft, mein Zimmer zu verlassen.
Beinahe prallt sie mit Kay zusammen, der ebenso erstarrt wirkt, wie ich.
Immerhin besitzt sie den Anstand, zu erröten, als sie ihn erblickt.
In gespielter Verzweiflung schlägt sie sich die Hand vor den Mund und stöckelt mit einem vernehmlichen „Uppsi“ aus dem Raum.
20)
„ D u glaubst diesen Schwachsinn doch nicht etwa?“
Kay steht noch immer wie angewurzelt in der Tür.
Als er zwar endlich hereinkommt, aber nach mehreren Minuten noch immer kein Wort sagt, weiß ich nicht, was ich verletzender finden soll:
Nelly-Melly-Silvias absolut schwachmatisches Gefasel oder Kays Gedankengänge, die für mich so offensichtlich sind, dass mir der Schmerz fast die Besinnung raubt.
Ganz kurz nur, überlege ich, meine Schilde zu senken … Kay zu gestatten, in meinem Kopf umher zu wandeln … sich zu versichern, dass nur er es ist, den ich so liebe, wie eine Frau einen Mann liebt.
Dann allerdings verwerfe ich diese Idee ganz schnell wieder.
Zum einen würde Kay dann nämlich lesen , was ich mehr oder weniger erfolgreich vor ihm zu verbergen suche … und zum anderen verletzt es mich mehr als alles, was in den letzten Tagen zwischen uns geschah (oder auch nicht geschah), dass er es auch nur in Erwägung zieht, dass in NMS' haltlosen Vorwürfen auch nur ein Fünkchen Wahrheit stecken könnte.
Ich gebe
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