Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
Vom Netzwerk:
versuchen, nicht von ihnen zu
träumen.«
    Mein erster Patient war
weiblich. Sie war zwar ein wenig sauberer als die anderen, dafür stand sie
genauso da wie Gideon neulich: mit dem Rücken zu mir, den Blick zur Wand.
    Â»Wissen Sie, was gerade mit
Ihnen geschieht?« Ich schob sie sanft Richtung Bett und brachte sie dazu, sich
hinzusetzen. »Hat Ihnen jemand erklärt, wofür Sie sich da entschieden haben?«,
versuchte ich es weiter. »Können Sie mir Ihren Namen sagen?«
    Als ich vor dem Zimmer eine
Bewegung registrierte, schaute ich hoch. Gina wartete an der Tür auf mich.
    Ich drückte die Frau auf die
Matratze, hob ihre Füße an und zwang sie so, sich hinzulegen. Dann deckte ich
sie zu und ging zu Gina hinaus.
    Â»Bei allen dasselbe, einfach
deprimierend«, meinte sie.
    Â»Ist das der normale Verlauf?«
Als Gina sich Brandon zuliebe infiziert hatte, schien sie super damit
klarzukommen. Es hatte sie jedenfalls nicht in eine Art Koma fallen lassen.
    Â»Ganz und gar nicht.
Normalerweise sind Formwandler voller Leben, dynamisch und frech.«
    Also, so hätte ich Lucas’
Annäherungsversuche von gestern wohl eher nicht beschrieben. »Können wir ihnen
nicht diese Injektionen verpassen, die auch dich geheilt haben?«
    Â»Nein. Schließlich hat Harscher
Schnee als ortsansässiges Rudel die Verantwortung für sie übernommen.«
    Â»Und?«
    Â»Diese Injektionen dürfen nicht
ohne Einwilligung des Patienten gegeben werden. Da sie aber nicht sprechen,
kann keiner von ihnen diese Einwilligung erteilen. Und Harscher Schnee wird
nicht zustimmen. Die Tagesschicht hat bereits gefragt, und Helen hat Nein
gesagt. Sie meinte, sie würden sie irgendwie integrieren.« Das hatte mit Viktor
ja auch super geklappt. Gina bemerkte meinen skeptischen Blick. »Mir gefällt
die Sache auch nicht. Aber vielleicht fangen sie sich im Laufe der Nacht
wieder. Schließ bitte alle Türen ab, ja?«
    Â»Okay.« Ich machte mich an die
Arbeit. Sie in ihren Zimmern einzusperren widerstrebte mir zwar, aber es gab
eines, was noch schlimmer wäre – sie hier draußen zu haben.
    Mich um Leute zu
kümmern, die nur herumsaßen, die Wand anstarrten und atmeten, zerrte langsam an
meinen Nerven. Es fühlte sich an wie ein grausames psychologisches Experiment,
mit mir als Laborratte. Ich schloss all meine Patienten an die Monitore an, mit
denen man die Sauerstoffsättigung im Blut überwachte. Nicht aus Angst, dass sie
aufhören könnten zu atmen, sondern weil ich so sehen konnte, ob sie sich
bewegten. Dann ging ich ins Schwesternzimmer zu Charles und setzte mich vor den
Hauptmonitor, auf dem alle oszillierenden blauen Linien angezeigt wurden. Meaty
saß uns gegenüber und erledigte den Papierkram.
    Â»Ich musste mal aus der
Freakecke raus«, erklärte ich Charles.
    Â»Du hättest gar nicht erst
zulassen dürfen, dass sie dich in so viel Werwolfkram mit reinziehen.«
    Â»Vielen Dank auch.« Ich verzog
das Gesicht. »Und wen hast du?«
    Â»Meinen einen, wundervollen
Tageslichtagenten. Er hat heute Vormittag eine Bluttransfusion bekommen, einen
halben Kubikzentimeter Vampirblut. Bis Sonnenaufgang müsste er wieder fit sein.
So wie es aussieht, kann ich mir morgen Nacht freinehmen.« Charles stieß sich
ab und rollte mit seinem Stuhl zur Seite.
    Â»Du willst mich ja nur neidisch
machen«, quengelte ich.
    Â»Warum? Du kriegst wahrscheinlich
auch frei. Diese Werwölfe sollten sich bis dahin erholt haben, und um Winter
beim Sterben zuzusehen, braucht man kein komplettes Einsatzteam.«
    Â»Morgen Nacht muss ich mich
tatsächlich noch um etwas anderes kümmern.«
    Â»Dann hoffe ich mal, dass du
ein bisschen Spaß hast. Du warst in letzter Zeit so ernst, Spence. Zu viel
Arbeit lähmt den Geist.«
    Â»Wem sagst du das.« Ich
notierte die Sauerstoffwerte und Herzfrequenz meiner Patienten aus der
vergangenen Stunde; es war schon fast zwei Uhr. »Wie kommt es eigentlich, dass
du dir deine Zeit mit nur einem Patienten vertreiben darfst, während wir uns zu
Tode schuften?«
    Â»Weil ich am längsten auf der
Station bin. Und natürlich weil ich so brutal bin, immerhin habe ich Meaty
einmal beim Armdrücken geschlagen.«
    Meaty schnaubte abfällig,
druckte aber weiter die Medikamentenabgleichsformulare aus.
    Ein Telefon klingelte. Es war
allerdings keiner der normalen Apparate, denn das Klingeln klang

Weitere Kostenlose Bücher