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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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Besten war oder nicht. Ti hatte
mich nach meinem Prozess gerettet – und dabei das Gefühl gehabt, von zu vielen
Leuten gesehen worden zu sein. Eigentlich sogar schon vorher, als er sich ein
paar … Ersatzteile besorgt hatte. Auf unserem Weg durch das Krankenhaus hatten
wir ausgesehen wie nach einem Blutbad, und einiges von diesem Blut war meines
gewesen. Ich konnte also verstehen, warum er das Bedürfnis hatte, eine Weile in
Deckung zu gehen, aber dass er mich einfach so zurückließ, passte mir gar
nicht. Sicher, wir waren nicht lange zusammen gewesen, aber es tat weh, dass
ihm seine Tarnung wichtiger war als ich. Insbesondere, da er nie eindeutig
gesagt hatte, ob er je zurückkommen würde.
    Ich kam mir hauptsächlich dumm
vor, weil es mir etwas ausmachte, und sobald ich mir dumm vorkam, wurde ich
wütend. Diese Wut überstrahlte alles, sodass ich kaum über etwas anderes
nachdenken konnte.
    Â»Das mit Brandon, das fühlt
sich einfach richtig an. Eine solche Nähe habe ich noch nie empfunden.« Gina
trat von Winters Bett zurück, legte die Lampe weg und überprüfte die
Infusionspumpen. »Aber wenn ich weiterhin mit ihm ausgehe … oder wenn mehr
daraus wird … wird das Konsortium eingreifen.«
    Ich hatte nicht gewusst, dass
unsere außerdienstlichen Aktivitäten so genau überwacht wurden. Von den
Schatten, ja. Aber auch durch das Konsortium? Das war mir neu. »Wo waren die
denn, als ich mit einem Zombie ausgegangen bin?«
    Gina zog eine Grimasse.
»Ausgehen ist in meinem Fall vielleicht nicht ganz der richtige Begriff …«
    Ein Lautsprecher schaltete sich
ein, von dem ich bisher nicht einmal gewusst hatte, dass er existierte. Meatys
Stimme ertönte: »Besucher im Anmarsch, Ladys.«
    Sofort klang Gina wieder völlig
professionell: »Ich hab’s doch gewusst.« Sie schnappte sich das Gewehr. »Du
gehst raus.«
    Â»Was? Aber laut Vorschrift …«
    Gina schob mich mit dem
Gewehrkolben vor sich her. »Raus hier, sofort.«
    Stirnrunzelnd verließ ich
Winters Zimmer und war mir ganz und gar nicht sicher, ob ich wirklich auf sie
hören sollte. »Gina …«, protestierte ich noch einmal. Sie schlug die Tür zu und
schloss sich ein.

Kapitel 10
    Â 
    Â»Gina?«
Ich hämmerte mit der Faust gegen die Tür. Der Monitor daneben schaltete sich
ab. »Soll das ein Witz sein?«
    Der Flur war nicht lang,
und schon hörte ich Schritte. Ich zog mir die Maske über das Gesicht und
krempelte die Ärmel des Schutzanzugs hoch, bevor ich mich hinter den
Schreibtisch setzte und versuchte so auszusehen, als hätte ich alles im Griff.
Nur ich, ohne einen speziellen Patienten, in voller Isolationsausrüstung,
allein im Flur. Verfluchter Mist. Angestrengt starrte ich in die offene
Krankenakte.
    Von hinten sprach mich jemand
an: »Wo ist er?« Ich drehte mich im Stuhl um und sah einen gedrungenen,
kahlköpfigen Mann in einem Bowlinghemd und einem kurzen schwarzen Wollmantel.
»Wo? Ich weiß, dass er hier irgendwo ist …«
    Und genau deswegen hatte Gina
mich hier rausgeschickt. In meiner Unschuld würde ich die bessere Lügnerin
abgeben. »Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen, Sir.« Hastig faltete ich die
Wertetabellen zusammen und klappte die Krankenakte zu, damit man Winter dadurch
nicht identifizieren konnte.
    Â»Sie wissen sehr wohl, von wem
ich spreche.« Er zog ein Handy aus seinem Mantel und schrieb mit seinen
Wurstfingern hektisch eine SMS . »Er ist hier. Sie wollen uns von ihm
fernhalten …« Als er die Nachricht geschrieben hatte, schaute er auf und
fixierte mich mit schmalen Augen. »Diese Sache wird ein Nachspiel haben, und je
länger Sie lügen, desto schlimmer wird es werden.«
    Großartig. Einfach großartig.
Ich atmete tief durch, packte den Teil von mir, der vielleicht ein wenig wütend
war, und stopfte ihn in eine stabile mentale Schublade. Der Mann hatte jedes
Recht, aufgebracht zu sein, genau wie wir jedes Recht hatten, Vorsicht walten
zu lassen. »Es tut mir leid, Sir. Sie werden morgen wiederkommen müssen, dann
ist der Sozialarbeiter da …«
    Â»Ich kann es nicht fassen, dass
Sie uns tatsächlich von ihm fernhalten wollen.« Er trat so dicht an mich heran,
dass er drohend vor mir aufragte. Ich schob meinen Stuhl ein wenig zurück. Im
Recht zu sein bedeutete nicht zwangsläufig, dass man nicht eine

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