Vita Nuova
gern die Telefonnummer von eurem Boss – ich werde mit ihm reden, ihm klarmachen, dass ich von nun an ein Auge auf ihn habe und keine Beschwerden mehr hören will. Er wird die Männer morgen auszahlen und ihnen ordnungsgemäße Papiere besorgen, keine Bange.«
»Danke, Maresciallo.«
»Wofür denn? Man tut, was man kann …«
Die Männer, die der Capitano zur Unterstützung geschickt hatte, hielten sich offenbar alle in der frisch ausgehobenen Swimmingpoolgrube auf. Sie arbeiteten schweigend. Einer von ihnen sah den Maresciallo kommen und zeigte ihm den Daumen nach unten. Dort würden sie mit ihren Metalldetektoren eh nichts finden, höchstens irgendwelchen Müll. Guarnaccia ging weiter. Während der Nacht hatte es gedonnert und wohl auch etwas geregnet, der Rasen und die Büsche waren noch leicht feucht. Jetzt aber erstrahlte der Himmel wieder in ungetrübtem Blau, und die Vögel zwitscherten. – Bitte, lieber Gott, gib, dass die Schwester mit dem Weinen aufgehört hat. – Er ging unter einem Torbogen hindurch und an den im Umbau befindlichen Nebengebäuden vorbei. Wahrscheinlich waren das hier früher die Stallungen und das Kutscherhaus gewesen. Er hielt sich eng bei den Mauern, wo die hölzernen Dachtraufen den Kiesweg beschatteten, und kehrte so zum Haupthaus zurück. Der Garten mit den niedrigen, exakt getrimmten Buchsbaumhecken befand sich auf einer tiefer liegenden, in den Hügel eingeschnittenen Terrasse. Darunter gab es noch ein paar Weingärten, einen Olivenhain und etwas Weideland, umgrenzt von einer niedrigen Steinmauer. Nach der wochenlangen Hitze machten die Blumenbeete einen schlappen, ungepflegten Eindruck auf den Maresciallo, der sich ähnlich schlapp und ungepflegt fühlte. Was für Blumen auch immer die niedrig geschnittenen Hecken umsäumt hatten, sie waren vertrocknet oder auf dem besten Wege dorthin. Das bisschen Regen von gestern Abend hatte höchstens dem Unkraut frisches Leben eingehaucht. Ein wenig mehr Pflege und Aufmerksamkeit hätten dem Garten gutgetan. Nicht zu übersehen, dass es hier keinen Gärtner gab. Das mit Eisenbeschlägen verzierte Tor stand weit offen, so dass der Maresciallo die gepflasterte Auffahrt hinauf bis zum Haupteingang sehen konnte, den er gestern benutzt hatte. Er fühlte sich beobachtet. War da jemand am Tor? Nein. Irgendwo in der Auffahrt? Er ging ein wenig weiter, seine Schritte knirschten laut auf dem Kies, dann blieb er stehen. Immer noch dieses deutliche Gänsehautgefühl … aber wo …? Vielleicht gab es doch einen Gärtner.
Guarnaccia blickte suchend nach rechts, entdeckte aber nichts, wo sich ein Beobachter hätte verstecken können, nur geometrisch angeordnete Leere. Er gab die Suche auf und ging weiter. Da unten links hatte er ein schwaches Schimmern registriert. Die hohen Küchenfenster zu seinen Füßen? Aber nein, an denen war er längst vorbei, das hier mussten andere Kellerräume sein. Da war doch eine Tür gewesen in der Küche; bestimmt führte die zu den ehemaligen Dienstbotenquartieren. Also gab es doch noch eine weitere Person in der Villa, mit der er sich einmal unterhalten sollte … klar, dass sie neugierig war, wahrscheinlich auch verängstigt, schließlich war hier ein Mord passiert. Bestimmt hatte sie keine Arbeitserlaubnis. Heutzutage …
Er marschierte hinüber zu dem Turm am Ende des Grundstücks. Auch hier standen die Eichentüren weit offen. Er hatte einen Carabiniere mit der Schwester dorthin geschickt, damit sie die Wohnung auf fehlende Gegenstände überprüfte.
»Aber wenn Sie das Gefühl haben, dass sie dem nicht gewachsen ist und möglicherweise wieder in Tränen ausbricht, bringen Sie sie bitte geradewegs wieder raus. Das hier war kein Einbruchdiebstahl, und ich will, dass sie einigermaßen gefasst ist, wenn ich sie vernehme.«
Das Erdgeschoss des Turmes war mit Naturstein gepflastert. Eine Dusche und eine mit Latten abgetrennte Umkleidekabine waren in der einen Ecke, außerdem stand da ein riesengroßer Kühlschrank, der, wie die gestrige Durchsuchung gezeigt hatte, bis zum Rand mit Obst und Säften vollgestopft war. An der einen Seite des Raums stand ein langer Tisch mit einer Marmorplatte, auf der anderen Seite befanden sich Liegestühle, Strandschirme und ein Haufen Spielzeug, offensichtlich eine Art Abstellraum für den Swimmingpool draußen. Die steile Steintreppe, die nach oben führte, sah für einen Dreijährigen nicht ungefährlich aus, bestimmt nicht ganz einfach für den kleinen Jungen. Auf dem Weg die
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