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Vita Nuova

Vita Nuova

Titel: Vita Nuova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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hin? Wir müssen miteinander reden.«
    »Nein, müssen wir nicht. Je weniger wir reden, umso besser. Ich geh nirgends hin, ich will Ihnen nur etwas zeigen.« Piazza nahm seinen Schlüsselbund, öffnete die Türen eines Aktenschranks und holte einen großen gelben Umschlag heraus, auf dem mit einem dicken schwarzen Filzstift das Wort E ILSACHE geschrieben stand. Dann setzte er sich mit dem Umschlag in der Hand wieder hinter den Schreibtisch. Seine Miene wirkte nun überhaupt nicht mehr offen und glücklich. Er zog ein Blatt Papier aus dem Umschlag, zögerte, schob es dann seufzend zu Guarnaccia hinüber, als wolle er damit sagen, er habe alles getan, was er konnte, und wasche seine Hände in Unschuld.
    Auf dem Blatt waren Namen gelistet, nichts weiter, keine Adressen, keine Telefonnummern, nur Namen. Aber vor jedem Namen stand ein eindrucksvoller Titel. Das war zu erwarten gewesen. Der Maresciallo erkannte die Namen zweier einflussreicher, florentinischer Familien und auch die einiger berühmter Anwälte. Zwei Richter, ein Arzt, ein Polizeichef, Lokalpolitiker, ein paar relativ unbekannte Schauspieler, und sogar ein Bischof waren darunter. Als er die Hälfte der Namen durchgesehen hatte, schob er die Liste wieder zurück. Piazza schüttelte den Kopf.
    »Sie müssen sie bis zu Ende lesen. Ich sehe Ihnen an, dass Sie noch nicht durch sind.«
    »Nein, nein, warum denn? Das war doch zu erwarten, ich muss trotzdem …«
    »Guarnaccia, lesen Sie den dritten Namen von unten. Oder soll ich Ihnen den vorlesen? Es ist der Name eines Staatsanwalts, um genau zu sein, der Name des Staatsanwalts, der auf diesen Fall angesetzt ist. So. Sind Sie jetzt endlich bereit, auf mich zu hören und die Sache hier auf sich beruhen zu lassen?«

7
    Der Maresciallo schwieg, zum einen, weil er nicht wusste, was er sagen oder wo er anfangen sollte, zum anderen, weil sich ihm alles, was bislang geschehen war, nun in einem völlig anderen Licht präsentierte. Er wollte sich die Fakten noch einmal ganz in Ruhe ansehen, denn im Augenblick wirbelten alle möglichen Bilder in seinem Kopf wild durcheinander. Er starrte seinem Kollegen geradewegs ins Gesicht, registrierte die Dringlichkeit und Besorgnis in seiner Stimme, war aber mit den Gedanken ganz woanders. Er sah sich bei sengender Hitze im Garten stehen und zwei Stunden lang auf das Eintreffen des Staatsanwaltes warten, obwohl die Straßen im August frei waren. Wo war der Mann vorher gewesen? Er sah sich draußen im Turm vor der Tür des Mädchens stehen, sah, wie der Staatsanwalt ihm anerkennend auf die Schulter klopfte, während die Tote mit den kräftigen Beinen und dem blonden Haar in den Metallsarg verfrachtet wurde. Nun kapierte Guarnaccia, warum De Vita ihm diesen Aufsehen erregenden Fall nicht entzogen und ihn nicht durch einen erfahrenen Kriminalinspektor ersetzt hatte.
    »Nichts als Schmu, die ganze Schmeichelei von wegen ›Sie sind doch ein erfahrener Mann‹ und all die bereitwillige Unterstützung … Schließlich müssen Sie sich ja auch noch um Ihre Wache kümmern, ich fahre ins Krankenhaus, ich rede mit der Mutter …«
    »Guarnaccia?«
    »Entschuldigung …« Sein Blick war abgedriftet, fixierte die Kalender hinter dem Kopf seines Kollegen.
    »Sie haben verstanden, dass ich …«
    »Ja, ja, ich hab’s begriffen … Ich will Ihnen keinen Ärger machen, kann Ihre Lage nur allzu gut verstehen.«
    »Was hätte ich tun sollen? Ich habe Familie!«
    »Ja.«
    »Und? Was werden Sie jetzt machen?«
    »Ich muss die Ergebnisse meiner Untersuchungen ordnungsgemäß melden. Das hier …«, er zeigte auf die Liste, »das hier ist nur eine Liste mit irgendwelchen Namen. Jeder kann so eine Liste zusammenstellen. Wo kommt die eigentlich her?«
    »Paoletti, nehme ich an. Einer seiner Angestellten hat sie ›versehentlich liegenlassen‹, damit ich sie finde.«
    »Aha. Der Mann ist clever, weiß genau, was er tut. Denn auch so ist das immer noch nichts weiter als eine beliebige Liste mit Namen. Wann war das? Wie sind Sie mit ihm in Kontakt gekommen?«
    »Vor etwa zwei Monaten ist er mich besuchen gekommen, als ich die Wache hier übernommen habe. Ich habe mir damals nichts dabei gedacht, obwohl ich es schon ein bisschen ungewöhnlich fand. Hat seine Stippvisite einleuchtend begründet: In seiner Position lege er ganz besonderen Wert darauf, zu Gesetzesvertretern und Behörden guten Kontakt zu pflegen, denn im Milieu passierten manchmal höchst unerfreuliche Dinge, obwohl er sich alle Mühe gebe,

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